Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner. 

Rudolstadt, den 15. April [Donnerstag] 1790. 

Dein Brief ist uns von Jena nachgeschickt worden und kam erst seit vorgestern in unsre Hände. Es freut mich sehr, daß Dir der Brief meiner Frau Vergnügen gemacht hat und daß Du einstweilen, biss Du sie näher kennen lernst, Dich mit Interesse an sie erinnern wirst. Jeden Tag freue ich mich meines Looses mehr, und das Band zwischen uns wird mannichfaltiger und fester geflochten. – 

Wir leben jetzt hier gar angenehme Tage, ich in der schönen Reminiszenz der vorigen Zeiten, wenn ich die Plätze besuche, wo ich meine ehemaligen, in mich selbst verschlossenen Empfindungen wieder finde; und meine Frau im Umgang mit einigen alten Bekannten, die ihr lieb geblieben sind. Meine Schwiegermutter freut sich unsers Glücks und theilt es mit uns. Meine übrigen Verwandten von hier ersetzen mir das Leere ihres Umgangs durch eine herzliche Gemüthlichkeit, und durch trefliche Torten und Pasteten. Meine Schwiegermutter ist freilich mit den Prinzessinnen sehr beladen, aber es sind leidliche Wesen, und stören uns nicht, wenn sie uns auch manchmal ennuyiren. Wir suchen schon lange eine honorable Parthie für die eine oder die andre zu finden, damit meine Schwiegermutter abgehen kann, denn sonst muß sie noch 5 Jahre in diesem Dienst aushalten. Beide sind gute Geschöpfe, und werden gewiß einen Mann glücklich machen, einen Prinzen gewiß. Die jüngste, 16 Jahr alt, ist sehr schön, gewiß eins der schönsten Mädchen, die ich gesehen habe, und vielleicht würde sie der Kronprinz von Dänemark wählen, der sich erklärt haben soll, daß er sich eine Frau nach Geschmack aussuchen wolle1. Schade nur, daß man sie ihm nicht zeigen kann. Indessen wird man auch mit einem geringern Freyer recht gern vorlieb nehmen, selbst wenn er ein wohlhabender Reichsgraf ist, nur Protestant müßte er seyn. Ich habe auf den Fürsten von Lippe-Detmold gedacht, weißt Du mir nichts von diesem zu sagen? wo er ist? ob er etwa schon versprochen ist u. dgl. – Am Hofe war ich selbst noch nicht, ich werde aber wohl noch hin müssen, denn bisher habe ich mich mit der Hoftrauer entschuldigt, auf die ich mich nicht versehen hätte. 

Der Coadjutor hat uns das Gemählde geschickt und gar schön an meine Frau geschrieben. Es ist sehr schön ausgeführt, obgleich der Gedanke an sich wenig Gehalt hat; wie es bey einem Gelegenheitsstück auch nicht wohl möglich ist. 

Du hast meiner Frau die Composition der Freude und, mir däucht, auch die Composition aus den Räubern einmal versprochen. Sie läßt Dich bitten, Dich an dieses Versprechen zu erinnern. 

Die Beantwortung Deiner Anfrage2 wegen des Mitarbeiters an den Memoires habe ich ganz unvorsätzlich vergessen. Sehr gerne will ich ihm Arbeit geben, aber der Joinville ist schon vergeben; einstweilen will ich auf einen andern Schriftsteller denken. Kannst du ihn dahinbringen, die Arbeit um 4 Thl. zu übernehmen, so wäre mir dieses freilich sehr lieb; über einen Louisd’or kann ich ihm auf keinen Fall geben, und dabey habe ich gar blutwenig Gewinn. – 

In 6 oder 8 Wochen wirst Du einen Besuch in Dresden von meinem Schwager dem Hofrath Beulwitz erhalten, der um diese Zeit mit den Prinzen dort eintreffen wird. Ich habe ihm schon einen Brief an Dich geschickt3

Hubern kann ich mir kaum in seiner neuen Autorität denken, es freut mich aber gar sehr, daß er über Mangel an Beschäftigung klagt, und daß ihm sein Beruf anfängt lieb zu werden. – Du und Er sind jetzt Beyde an der Quelle wichtiger politischer Emanationen. Ich habe neulich mit Ungeduld in der Zeitung nachgesucht, ob ich nicht etwa auch Deinen Nahmen unter den Räthen fände, die bey dem Vicariatsgericht4 angestellt sind. 

Reinhard ist darunter, wie ich fand. Schreib mir doch, wenn Du etwas Wichtiges früher als ich erfährst. Die politische Welt interessirt mich jetzt. Ich zittre vor dem Kriege; denn wir werden ihn an allen Enden Deutschlands fühlen. 

Viel gute Wünsche zu Deinem Plan wegen des Appellationsgerichts. Weiß ich Dich nur erst gut placirt, so ist mir nicht bange für das übrige. Innere Unthätigkeit wirst Du nie lange ertragen, und der Geist der Wirksamkeit, den eine bedeutendere Lage in Dir aufweckt, wird sich auf alle Deine, auch Lieblingsgeschäfte erstrecken. 

Noch etwas. – Seitdem ich eine Frau habe, kupple ich gern. – Da Kunze jetzt Wittwer ist so sollte das Attachement, das er sonst immer an Dorchen hatte, wieder aufwachen und er sollte sie heurathen. Ist Dir dieses nie eingefallen? Diese beiden Leute hat der Himmel für einander bestimmt, Dorchen macht ihn gewiß glücklich, und sie kennt ihn so gut, daß er sie nie unglücklich machen kann. Findest Du den Gedanken gut, so weise mir eine Rolle dabey an, ihn zu befördern. 

Grüße alles. 

               Dein 

Sch.


1) Die Prinzessin Wilhelmine von Schwarzburg-Rudolstadt, geb. 21. Jan. 1774, wurde die Gemahlin des Fürsten Günther von Schwarzburg-Sondershausen; die jüngere, Christiane Louise, geb. 2. Nov. 1775, heirathete den Prinzen Ernst Constantin von Hessen-Philippsthal.
2) Vgl. II. 175. Funk bearbeitete die Memoiren Sullys II, 192; den Joinville hatte Heß in Rudolstadt übernommen.
3) II, 182. die Prinzen von Schwarzburg-Rudolstadt, waren Ludwig Friedrich, geb. 9. Aug. 1767 (succedierte am 13. April 1793) und Karl Günther, geb. 23. Aug. 1771.
4) Nach dem Tode Josephs II. führte Chursachsen das Reichsvicariat bis zur Wahl und Krönung Leopolds II.


Bemerkungen

1 Zu S. 69. Z. 6. v. u. Lottens Brief war ein Einschluß zu Nr. 514.
2 Zu S. 70. Z. 11. Die ältere Prinzessin, Wilhelmine, heiratete 1799 den Grafen Günther von Schwarzburg-Sondershausen, die jüngere, Christiane Louise, 1796 den Landgrafen Ernst Constantin von Hessen-Philippsthal. Die letztere war übrigens erst am 2. Nov. 1775 geboren, also nicht 16, sondern erst 14 Jahr alt, als der vorliegende Brief geschrieben wurde. Um so auffallender ist Schillers Eifer, jetzt schon einen Gatten für sie zu suchen. Vergl. auch Fielitz, Nr. 325. Zu Z. 28. Über das Gemälde vergl. Nr. 508. Fielitz hat das Bild auf Schloß Greifenstein gesehen und erklärt es für nichts weniger als schön. Auf der Rückseite fand er folgenden Begleitbrief Dalbergs aufgeklebt:

                  Edle fürtrefliche Frau!

Mein mahlerstümpern ist mir sonst ausruhen und hintändeln einicher Nebenstunden. Diesmahl ist es mir werth und lieb, weil es dem erhabnen Schiller und seiner liebenswürdigen Gattin Freude machte. Mein Herz wünscht Ihnen im ganzen leben Seegen und Wonne deren Sie beyde so würdig sind. Ich bin mit vieler Verehrung

Erf. Den 7. April 1790

Ew. Gnaden      
gehorsamer Diener
Dalberg C.        

3 Zu S. 71. Z. 1. Der von Körner im Brief vom 9. März vorgeschlagene Mitarbeiter an den Memoires war Hr. v. Funk. Zu Z. 12. Vergl. Nr. 515.
4 Zu S. 72. Z. 13. Hubers Chef war abberufen worden, und er hatte ihn zu vertreten. 
5 Zu Z. 16. Körner hoffte als Rat in das Appellationsgericht zu kommen. 
6 Zu Z. 31. Schillers Kupplervorschlag überraschte Körner. Er antwortete am 23. April: „Deine Ideen von Dorchen und Kunze waren mir unerwartet. Freilich weißt Du vielleicht nicht, daß Huber vor seiner Abreise seinen Entschluß zur Heirath deutlich erklärt hat. Ich weiß wohl, was sich im Allgemeinen gegen eine solche Heirath sagen läßt, aber ich liebe die allgemeinen Regeln nicht. In diesem einzelnen Falle halte ich fürs Beste, daß beide zusammenkommen.“ Diese Stelle scheint mir bisher nicht genug beachtet zu sein. Oft ist es so dargestellt, als wäre Huber und Dora schon damals ein erklärtes Brautpaar gewesen, als das Verhältnis Schillers und der Leipziger Freunde angeknüpft wurde (so auch noch in meinem Buch über Körner S. 242 und Brahms, Schiller I. 863). Das ist nach diesem Brief eine irrige Annahme.