Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Frau Louise v. Lengefeld. 

Jena den 3. März [Mittwoch] 90. 

Der Bote ging mir gestern zu schnell wieder ab, sonst hätte ich ihm auch einige Zeilen an Sie mitgegeben, liebe Mama. Haben Sie noch mal herzlichen Dank für Ihre liebe Gegenwart und für Alles, was Sie uns waren. Diese kurzen, schnell entflohenen Tage sind uns ein Vorbild derjenigen gewesen, die uns in der Zukunft erwarten. Ich denke mir Sie so gerne unter Ihren Kindern, und erfüllt der Himmel meinen Wunsch, so wird Ihr Schicksal von dem unsrigen unzertrennlich seyn. Bis jetzt ist es so ruhig geblieben, als es war, wie Sie uns verließen, und es ist uns allen so wohl, von keinem fremden Gesicht heimgesucht zu werden. 

Der Kranz1 scheint abgeschreckt für jetzt. Die Versuche wird er zwar nicht aufgeben, aber wir werden uns dagegen verwahren können. Herzlich wünschte ich, daß es der Stein immer besser bei uns gefiele, und daß sie endlich gar ihren Sitz hier aufschlüge. Wir hätten dann gar keine fremde Gesellschaft mehr nöthig und würden leben wie die Engel. 

Ich verwundre mich noch über den ruhigen Übergang in das häusliche Leben. Wir haben uns so still und schnell darein gefunden, und es war gar nichts von der Unruhe dabei, womit solche Veränderungen gewöhnlich begleitet sind. Es wird so bleiben, und bei unsern mäßigen Wünschen wird es uns nie an der schönsten Lebensfreude fehlen, die man doch nur in seinem eigenen Herzen finden kann. Lottchen ist wohl, und auch Karoline kommt mir hier viel gesunder und heiterer vor, als in Weimar. Auf den Sommer aber wird es für uns beide gut seyn, eine Kur zu gebrauchen.

Wie freue ich mich jeden Abend, daß ich der Zeit, wo wir in Rudolstadt zusammen seyn werden, um einen Tag näher gerückt bin. Ich verspreche mir einen freundlichen Aufenthalt, und so viele Gegenstände, so viele Plätze sind mir dort durch die Empfindungen wichtig geworden, die ich damals noch in mein Herz verschließen mußte, ohne jemals zu hoffen, daß sie in eine so schöne Erfüllung gehen würden. Ich werde sie jetzt wieder sehen und mich der unverhofften Wirklichkeit erfreuen. 

Sie sind, wie ich hoffe, wieder ganz gesund, liebe Mama, und haben Alles was Ihnen in Rudolstadt lieb ist, wohl aufgefunden. Haben Sie die Güte mich meinen Fräulein Schwägerinnen2 und Gleichens recht schön zu empfehlen. 

Von meiner Familie habe ich noch immer keine Nachricht, so daß mir meiner Mutter wegen bange ist. Was auch der Himmel über sie verhängt hat, so ist mir dieses ein Trost, daß sie die Nachricht von unsrer Verbindung noch erfahren und sich meines Glückes erfreuet hat.

Leben Sie wohl, theuerste Mama, und erhalten Sie mir Ihre mütterliche Liebe. 

                                                         Ihr 
                                                                    Ewig dankbarer Sohn 
                                                                               Fr. Schiller.


Bemerkungen

1 Der Kranz ist Frau Griesbach.
2 Die Fräulein Schwägerinnen erklärt Urlichs als die Schwestern seines Schwagers Beulwitz.