Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner. 

Jena, d. 12. Dec. [fälschlich für 13. Sonntag] 89. 

Ich wollte Dir von meiner Heirathsgeschichte nichts schreiben, weil über die Zeit und die Einrichtung selbst bisher nichts entschieden war. Zwar ist auch jetzt noch nichts entschieden; aber ich möchte sehr gern Deine Meinung über die Maaßregeln hören, die wir nehmen wollen. Ich kam vor einer halben Stunde von Weimar zurück, wo ich mich mit beiden Frauen über unseren Plan besprochen habe; bei meiner Ankunft finde ich Deinen Brief, und will ihn sogleich beantworten. 

Es ist mir gar lieb zu hören, daß auch Dir vor dem UniversitätsWesen eckelt; ich wollte es in meinen letzten Briefen an Dich nur nicht gerade heraussagen, daß mir diese Existenz – verbunden mit der ganzen Begleitung von fatalen Umständen, die von dem Professorleben unzertrennlich sind, daß sie mir herzlich entleidet ist; Wäre sie mit nur ein wenig erheblichen oeconomischen Vortheilen verknüpft, so wollte ich mich darein ergeben, wie jeder andre in sein Amt, und wie Du selbst in Deine collegialischen Geschäfte. Aber dieses ist nicht, und kann in den nächsten 3, 4 Jahren auch nicht werden. Ich habe keinen großen Glauben an die Génerosité meines Herzogs; kann es ihm auch nicht zumuthen, etwas beträchtliches für mich zu thun; und bey 100, 200 Thlr. pension habe ich ganz u. gar keinen Vortheil. 200 Thlr. sind alles, was ich mit einiger Sicherheit für zwei Vorlesungen in jedem halben Jahr, jährlich rechnen kann; und um diese 2 Vorlesungen in jedem halben Jahr, jährlich rechnen kann; und um diese 2 Vorlesungen lesen zu können, müßte ich noch den ganzen nächsten Sommer auf die Ausarbeitung eines zweyten Collegiums verwenden. Du begreifst, daß ich diesen Fleiß nach dem mäßigsten Anschlag noch einmal so hoch in schriftstellerischen Arbeiten ausbringen kann. Es ist also von Seiten meiner Oeconomie gar nichts, was mich in Jena halten kann. Aber es ist ein wichtiger Grund vorhanden, der mich davon wegzieht, und dieß ist meine Heurath. 

Fürs erste mag u. will ich die Lengefeld nicht in die fatalen Jenaischen Verhältnisse hinein ziehen, welche für sie noch fataler werden, da man hier ihren Adel nicht vergessen kann; ich würde sie u. mich den größten Platittüden aussetzen. Dann sind wir auch Weimar zu nahe, wo die Lengefeld mit dem Adel sehr verflochten ist; und einige Verbindungen müßten fortdauern, welche mit ihrer hiesigen Existenz einen unangenehmen Contrast machten, und in unserem Leben eine immerwährende Disharmonie unterhielten. Dieß sind aber Nebengründe, auf die ich nicht so sehr achten würde, wenn nicht wichtigere hinzu kämen. Die Mutter wird sich äuserst ungern von ihrer Tochter trennen, weil sie biß jezt darauf rechnen konnte, sie in Rudolstadt zu verheurathen1. Die Heirath mit mir zerstört diesen ganzen Plan der Mutter, der zwar noch nicht in Richtigkeit gebracht ist, aber zwischen beiden Theilen vorbereitet worden, und kein Hinderniß hat, als die Lengefeld selbst und unsre Verbindung. Die Mutter nahm ihren Plan zurück, sobald sie sah, daß er bey der Tochter nicht durchgehen könnte; aber die Entfernung ihrer Tochter wird ihre Zufriedenheit mit unserer Heurath sehr vermindern. Dazu kommt, daß die Entfernung der einen Tochter bald auch die Entfernung der andern zur Folge haben würde, denn die Beulwitz stimmt sehr übel mit ihrem Manne zusammen, und nur die Gesellschaft ihrer Schwester machte ihr dieses Verhältniß biß jezt leidlich. Allein lebt sie nicht mit ihm, und ihre Mutter ahndet dieses schon längst, und ist sehr unruhig darüber. Er ist ein recht schätzbarer Mann von Verstand und Kenntnissen; dabey denkt er gut und edel – aber es fehlt ihm an Delicatesse, und seine Frau weiß er nicht zu behandeln. Sie hat viel mehr Geist als er, und eine ganz eigne Feinheit der Seele, für die er nun ganz u. gar nicht gemacht ist. Diesem übeln Verhältniß wird abgeholfen, wenn wir, die Lengefeld und ich, mit Beulwitz u. seiner Frau zusammen leben. Er und ich stehen gut, und vertragen uns gut mit einander; und wenn die Beulwitz nicht auf die Gesellschaft ihres Mannes eingeschränkt ist, so geht auch mit ihr alles besser. Im Hause haben wir Platz; es sind 2 Häuser aneinander, die communication haben, und seitdem die Mutter nach Hof gezogen ist, ist Platz für uns geworden. Ich brauche bloß 300 Thlr. in die oeconomie zu geben, 200 Thlr. zieht Lottchen von ihrer Mutter, ohngefehr eben soviel brauche ich für mich. 500 Thlr. sind mir nothwendig, aber auch hinreichend, und diese denke ich ganz allein von der Thalia zu ziehen. Die Einnahme von den Memoires bleibt mir a part; und wenn die Memoires im Gang sind, wenn ich 3 oder 4 brauchbare Mitarbeiter dazu beisammen habe, so ist meine Arbeit sehr gering dabey, und die Einnahme immer 3, bis 400 Rthlr. 

Unser Plan war also dieser. Ich verlange auf Ostern einen fixen Gehalt, den man mir ganz gewiß verweigert, und dann lege ich meine Professur nieder. (Kann ich es dahin bringen, daß man mir erlaubt, ein Jahr zu privatisieren, um meine Niederländische Geschichte zu beendigen, so kann ich diesen gewaltsamen Schritt vermeiden; und im Verweigerungsfalle gibt diese Niederl. Geschichte einen sehr anständigen Vorwand meines Austritts ab, auch für das Publicum.) Mein Vater ist alles, was ich eigentlich zu schonen brauche; denn nachtheilige Folgen kann dieser Abgang von Jena darum nicht für eine künftige Versorgung haben, weil meine schriftstellerische Wirksamkeit fortgeht, weil ich bey dem Studium der Geschichte beharre, und in 4 biß 5 Jahren mein Verdienst in diesem Fache allgemein anerkannt seyn muß. Zugleich suche ich einige Verbindungen in Mainz, Berlin und Göttingen zu unterhalten, die, durch historische Schriftstellerey unterstützt, mir immer einen Weg offen halten müssen, wenn es seyn muß, Versorgung zu finden. Auf die Academie in Berlin rechne ich noch immer. Also bloß meinen Vater habe ich zu schonen, weil dieser meinen Plan nie goutiren wird, und auf Jena alle seine Hofnung gesetzt hat. Um diesen zu beruhigen, muß ich das Vermögen Lottchens etwas größer machen als es ist, und mit den Prinzen von Rudolstadt einige Verbindungen eingehen, die meinen Aufenthalt in Rudolstadt auf eine gewisse Art nothwendig zu machen scheinen. Die Prinzen sind jezt mit Beulwitz in der Schweiz; auf der Hinreise haben sie meinen Vater kennen lernen, und dieß wird nun benutzt. Der ältste Prinz muß ihm schreiben, sobald es dahin kommt, und ich werde von meiner Seite alles ins beste Licht zu setzen suchen. Ohnehin muß ich mir, sey es von welchem Hofe es wolle, einen Carakter geben lassen; und so etwas wirkt, auch auf meinen Vater, und es trägt mit dazu bey, meinen Austritt von hier etwas anständiger zu machen. Ich zöge also, sobald diese Präliminarien berichtigt sind, nach Rudolstadt, und die Heirath geschähe dann auch gleich. Ohngefehr 4, 5 Jahre rechne ich da zu bleiben, und in dieser Zeit würde ich die Geschichte überhaupt durchstudieren, und einige Theile daraus vorzugsweise bearbeiten. Schon allein meine schriftstellerischen Arbeiten müssen mich durch alles, was darinn interessant ist, hindurchführen. Die Thalia gäbe mir aber auch Gelegenheit für dichterische Arbeiten u. Philosophie. Doch ich verspare es auf einen anderen Brief, von meinem litterarischen Plan zu sprechen. 

Warum wir die Mutter der Lengefeld biß jetzt mit dieser ganzen Sache noch nicht bekannt gemacht haben, ist darum geschehen, weil wir ihr die ganze Angelegenheit erst vorlegen wollen, wenn sie von allen Seiten durchdacht und fertig ist; denn da sie immer glauben wird, ihrer Tochter ein Opfer zu bringen, so würde sie zuviel bei der Anordnung zu sagen haben wollen. Sie ist es indessen, die bey diesem Plan am meisten gewinnt, weil ihr Aufenthalt in Rudolstadt über ihre Hofnung dadurch verbessert wird. 

Ich habe Dir nun glaube ich, das Hauptsächlichste gesagt; denke Dich in meine Lage, und sage mir Deine Meynung aufrichtig. Bey mir ist dieses von einem entscheidenden Gewicht, dass ich 4, 5 Jahre in einer glücklichen Lage meines Geistes und Herzens privatisiren, und meinem Geiste diejenige Stärke und Reife geben kann, die mir allein bey einem zweyten öffentlichen Auftritt die nöthige Sicherheit verschaffen kann – und dann ist doch schriftstellerische Ausbildung das höchste, wonach ich zu streben habe. Wie kann ich aber als Schulmeister auf einer Univ. dahin gelangen? – Du wirst auch darin meiner Meynung seyn: daß, wenn ich einige Jahre privatim zugebracht und einige wichtige Schriften vollendet habe, meine Bewerbungen in Mainz und Berlin von ganz anderem Nachdruck seyn werden, als wenn ich sie jezt thäte, wo mir sowohl der äusere entschiedene Kredit, als die innere Sicherheit noch mangeln. 

Lebe wohl. Die Post geht sogleich. Ich erwarte mit Ungeduld Dein Urtheil über diese ganze Angelegenheit. Die Sache ist delicat; um so reifer muss sie überlegt werden. Herzliche Grüße an Minna und Dorchen. 

               Dein 

S.


Bemerkungen

1 Über den Plan der Mutter, Lotte in Rudolstadt zu verheiraten, ist wenig bekannt. Sie dachte wohl an eine Verbindung mit dem Kammerjunker v. Ketelhodt. Vergl. Fielitz, Sch. u. Lotte I. S. 51 u. II. S. 309, wo Ketelhodt den Spitznamen la tête führt und in einem Brief Friederike v. Gleichens an Lotte scherzend die Furcht ausgesprochen wird, dass er sich über Lottes Verlobung mit Schiller zu Tode grämen werde.