Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner. 

Jena d. 10. Nov. [Dienstag] 1789.

Mein heutiger Geburtstag erinnert mich, daß ich Dir lange nicht geschrieben habe; vielleicht aber hast Du mich im Herzen entschuldigt. Ich muß mir für diesen Winter Toleranz von Dir erbitten, wenn Du seltener von mir hörst; denn, so wie diesen Winter bin ich, solange wie ich lebe, nicht obsedirt gewesen von Arbeit. Du kannst Dirs leicht denken, wenn ich Dir sage, daß ich alle Tage eine ganze Vorlesung machen und wörtlich niederschrieben muß; also jeden Tag fast zwei gedruckte Bogen, ohne die Zeit, die auf Lesen und Excerpiren hingeht. Du wirst sagen, ich mache mir die Arbeit unnöthig schwer, aber mein äuserst schwaches Gedächtniß nöthigt mich dazu. Der Vortheil, den ich dabey habe, ist für die Zukunft beträchtlich; auf die Gegenwart darf ich freilich nicht sehen. Mein privatum ist äuserst miserable ausgefallen, woran ich freilich zum Theil selbst Ursache bin. Ich schickte den Anschlagzettel von Rudols. hieher; er wurde aber weil etwas daran fehlte nicht angeschlagen biß ich selbst kam, und dieses war, da die Collegien schon angefangen hatten. Die Studenten hatten also ihre Eintheilung schon gemacht; ausserdem habe ich einige sehr fatale Collisionen in den Stunden nicht vermeiden können. Kurz, ich bin sehr erbärmlich gefahren, meine ganze Anzahl besteht aus 30, wovon mich vielleicht nicht zehn bezahlen. An diesem würde mir just am wenigsten liegen, wenn mich der schlechte Anfang nicht überhaupt verdrösse. An meinem Hauptplan wird nichts geändert, ich arbeite meine Geschichte aus, wie für 100, und der Nutzen muß sich auf eine ganz andere Art für mich ergeben. Indessen habe ich erschrecklich viel Arbeit mehr, weil meine schriftstellerischen Arbeiten dabey fortgehen müssen. Zum Glück habe ich die Memoires, woran zwey Mitarbeiter1 sind, denen ich nur die Hälfte des Honorars zu bezahlen brauche. Der erste Band wird diese Woche gedruckt seyn, und der zweite kommt unter die Presse. Die Abhandlung, die ich darzu machte, wird Dir nicht uninteressant seyn.

Hie schicke ich Dir die Antrittsrede, die mir hier nichts als Händel gemacht hat. Ich nenne mich in aller Unschuld darinn einen Professor der Geschichte, weil mir (wie Du leicht denken kannst) nicht bekannt war, daß ich dadurch mit einem, der eine Nominalprofessur zur Geschichte hat, collidiren könnte. Dies ist Heinrich, der darüber Lerm geblasen hat. Sie ließen mirs durch Grießbach wissen, daß ich der Sache abhelfen möchte; welches leicht angeht, da sie neu aufgelegt wird, und also der Prof. d. Geschichte in einen Prof. d. Philosophie verwandelt werden kann. Ist dieß aber nicht erbärmlich? Und der Academiediener, der sie aus dem Buchladen fodert, ist so insolent – da man sie ihm nicht gibt, weil sie schon versendet war, den angeklebten Titel von der Thüre wegzureißen. Mit solchen Menschen habe ich zu thun. 

Gebe der Himmel, daß ich Dir in dem nächsten halben oder ganzen Jahr möge Nachricht geben können, daß ich irgend anderswo angestellt bin. An meiner Thätigkeit fehlt es nicht, diese Crisis zu beschleunigen. 

Ein gewisser Baron v. Bock wie er sich nennt schickt mir dieser Tage aus Metz eine französische Uebersetzung des Iten und IIten Fragments vom Geisterseher und des heimlichen Gerichts; beides von seiner Feder. Er wünscht das ganze heimliche Gericht zu haben, indem er zweifelt, ob gegenwärtig in Frankreich und England ein solches Produkt könne geschrieben werden. Er meynt, daß diesem Stük, wenn er es ganz hätte und übersetzen könnte, die Ehre widerfahren könnte, auf dem Theatre français gespielt zu werden. Ich möchte dieses ja dem Verfasser zu Gemüthe führen. Wenn Huber Lust hat, so würde ich es ihm nicht misrathen. Die Uebersetzung meines Geistersehers ließt sich gut, bis auf einige Stellen, die der gute Freund nicht verstanden hat. 

Hast Du Dir Reinholds Buch angeschafft und was hältst Du davon? Den versprochenen Brief des Julius2 erhältst Du vielleicht doch, und früher, als Du ihn erwartest. 

Sonst bin ich gesund, und es gibt Verhältnisse, die mich über dieser Last von Geschäften noch aufrecht erhalten. In einigen Wochen werde ich mit der Mutter3 die bewußte Sache in Ordnung bringen. Sey tausendmal gegrüßt und grüße Minna und Dorchen. Ich schließe diesen Brief, um wieder an die Arbeit zu eilen. Lebe wohl. 

               Ewig Dein 

Schiller.


Bemerkungen

1 Die Mitarbeiter, denke ich, waren Heß und Berling. 
2 Ein philosophischer Brief Julius an Raphael erschien nicht mehr.
3 Frau von Lengefeld, Mutter der Braut.