Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner. 

Rudolstadt d. 13. 8br. [Dienstag] 1789. 

Deine Acten will ich von Jena aus an Voigt schicken, aber von Deinen Foderungen sage ich ihm noch nichts. In Deinem letzten Briefe scheinst Du mir über die Weimarische Angelegenheit doch zu sehr abgekühlt zu seyn. Ob ich gleich gestehe, daß mir die Lebhaftigkeit abgeht, womit ich sie sonst betrieben hätte (denn ich sehe für mich nicht viel Gewinn dabey voraus, weil ich die Hofnung aufgebe, einen Plan zu meiner künftigen Existenz in Jena ausführen zu können), so sehe ich Dich doch, gegen Dresden betrachtet, in Weimar um vieles gebeßert. Der beste Theil Deines Wesens kann bey dem Tausche gewinnen, dies kann ich mir nicht ausreden! Willst Du meinem Rathe folgen, so lasse die Sache in der Stille ihren Gang gehen, ohne sie zu lebhaft zu betreiben, und ohne sie ganz zu suspendiren. Mein Schicksal entscheidet sich binnen eines Jahres gewiß, und unser Plan von Vereinigung darf kein Traum gewesen seyn. Das, was wir uns in Dresden waren, war ein zu wirkliches Gut, und unser Geist hat sich zu wohl dabey befunden, um sich so leicht von der Hofnung zu trennen, daß es wieder so werden könne, und noch besser! Wir werden größere Forderungen an einander machen, aber wir werden auch im Stande seyn, größere zu erfüllen. Ich mag es mir nicht denken, daß wir uns in reiferen Jahren weniger nahe stehen sollten, als in frühern. In jeder Lage würde ich Dich suchen, und auch Du würdest mich nicht minder finden. 

Wieland mahnt mich jezt stark um Beyträge zu dem neuen Mercur, und er will schon für das Jennerstück etwas von mir. Finde ich Zeit und Stimmung, so setze ich den Brief an Dich auf, wovon wir gesprochen haben; aber noch sehe ich nicht, wie ich es möglich mache. Die Abhandlung zu dem Ersten und Zweyten Bande der Memoires ligt mir sehr auf dem Halse. Der Erste Band wird binnen 14 Tagen gedruckt seyn, aber zum Zweyten habe ich noch nichts vorräthig, die Uebersetzung selbst ausgenommen, die ein andrer besorgt. Von Jena aus will ich Dir meine Antrittsrede vom vorigen Sommer schicken; Du mußt mir Deine Meynung davon sagen. Ich betrachte sie als ein Instrument zu besserer Versorgung; denn sie muß einen Begriff von dem erwecken, was ich als Professor der Geschichte leisten kann. So wie Du sie lesen wirst habe ich sie freilich nicht gehalten. Ich glaubte dem Publikum etwas mehr ausgearbeitetes schuldig zu seyn, als einem Haufen unreifer Studenten. 

Was ich neulich von historischem Stil Dir schrieb, scheinst Du unrecht verstanden zu haben, oder Du hast nicht alles zusammengenommen. Das Interesse, welches die Geschichte des peloponn. Kriegs für die Griechen hatte, muß man jeder neuern Geschichte, die man für die neuern schreibt, zu geben suchen. Das eben ist die Aufgabe für das Genie, dass man seine Materialien so wählt und stellt, dass sie des Schmucks nicht brauchen, um zu interessiren. Wir neueren haben ein Interesse in unserer Gewalt, das kein Grieche und kein Römer gekannt hat, und dem das vaterländische Interesse bey weitem nicht beykommt. Das letzte ist überhaupt nur für unreife Nationen wichtig, für die Jugend der Welt. Ein ganz andres Interesse ist es, jede merkwürdige Begebenheit, die mit Menschen vorgieng, dem Menschen wichtig darzustellen. Es ist ein armseliges kleinliches Ideal, für eine Nation zu schreiben; einem philosophischen Geiste ist diese Grenze durchaus unerträglich. Dieser kann bey einer so wandelbaren, zufälligen und willkührlichen Form der Menschheit, bei einem Fragmente (und was ist die wichtigste Nation anders?) nicht stillestehen. Er kann sich nicht weiter dafür erwärmen, als soweit ihm diese Nation oder Nationalbegebenheit als Bedingung für den Fortschritt der Gattung wichtig ist. Ist eine Geschichte, (von welcher Nation und Zeit sie auch sey) dieser Anwendung fähig, kann sie an die Gattung angeschloßen werden, so hat sie alle Requisite, unter der Hand des Philosophen interessant zu werden, und dieses Interesse kann jeder Verzierung entbehren. 

Von der Frau von Stein habe ich eine Bitte an Dorchen. Sie wünscht mein Portrait zu copieren, und ersucht Dorchen, es ihr zu schicken. Ich stehe dafür, daß sie es nicht lange behält, und es auch gut in acht nimmt. Sie ist glücklich im Copieren und wird es treffen; sonst würde ich Dorchen selbst davon abrathen, es ihr zu schicken. Will mir Dorchen die Zeichnung anvertrauen, so will ich sie richtig besorgen; sonst aber will ich der Stein sagen, daß sie sie selbst darum ersuchen mag. Ich mische mich nicht in die Sache. 

Lebe wohl und grüße Minna und Dorchen. In 5 Tagen reise ich wieder nach Jena, und spanne mich wieder ein. Von dort aus mehr.

               Dein 

Schiller.