Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Lotte von Lengefeld und Caroline von Beulwitz.

p. à Mama

Jena d. 1. Sept. [Dienstag] 89.

Sie wandeln jezt ohne Zweifel unter den schönen Zelten und dem Duft von Bratwürsten auf der Vogelwiese herum, diß erinnert mich lebhaft an den vorigen Herbst, wo ich zwar nicht sehr oft unter den Zelten, aber desto fleißiger bei Ihnen war, und diese Zeit muß zurück. Ich will nicht hoffen, daß Sie es für Scherz aufgenommen haben, als ich Ihnen sagte, ich wolle mich während meiner Ferien wieder in Volkstädt einquartieren. Es war mein höchster Ernst, und ich bitte Sie, meinem lieben Cantor dieses Brieflein einhändigen zu lassen. In Jena kann ich während der Ferien schlechterdings nicht bleiben, mein Kopf und mein Herz bedürfen diesen wohlthätigen Einfluß des Landes und der freyen Natur, wenn ich diesen arbeitsvollen Winter der mir bevorsteht mit heitrer Seele antreten und mit gesunden Kräften ausdauren soll. Sie glauben nicht wie drückend es ist, immer unter Bücher zu sitzen, und, so wenig, als wie ich hier, durch freundschaftlichen Umgang dafür schadlos gehalten zu werden. Reinhold reiß’t in den Ferien weg, Hufeland ist heute Morgen auf 8 Wochen nach Danzig abgereißt, ich bin dann übrig wie ein verdorrter Stamm. Kurz, ich kann mir nicht helfen, ich muß aufs Land, und wo soll ich hin, als dahin, wo ich schon so frohe Stunden erlebte, wo ich wieder zum Menschen werden kann? Nur bey Ihnen ist mir wohl, und wenn ich Sie auch bloß in der Nähe wißen sollte – denn leider schleppe ich auch Geschäfte nach Volkstädt mit mir, und so oft als im vorigen Herbst kann ich Sie diesen Herbst nicht genießen. Aber um so weniger werden Sie mir diese bescheidene Bitte versagen.

Wie freue ich mich schon auf die schönen Stunden, die mir bevorstehen! Dieß Jahr fehlt uns freilich ein erfindungsreicher Odyßeus, aber ich denke, ich will schon etwas mitbringen, das uns interessieren soll.

Lassen Sie mich doch in Ihrem nächsten Briefe wißen, wann Sie an Wolzogen schreiben wollen? Ich möchte gern einen Einschluß beilegen. Die Stein wird wohl jezt bei Ihnen seyn. Herder, wissen Sie ohne Zweifel, ist ViceConsist.Praesident mit 300 Thlr. Zulage geworden.

Ich bin ungeduldig, von Carolinens D. Gesundheit zu hören. Adieu. Mein Kopf ist von Schnupfen eingenommen, dass ich nichts vernünftiges zu schreiben weiß.

Haben Sie doch ja die Güte, mir von dem Cantor in Volksstädt bald Antwort zu verschaffen, denn von morgen über 14 Tage sind meine Vorlesungen geendigt, und ich kann fort. Leben Sie wohl. Grüssen Sie die Dame auf dem Schloße1 recht schön und gedenken Sie meiner.

Schiller.