Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Christophine Reinwald

Jena d. 18. Aug. [Dienstag] 89.

Deinen Brief liebste Schwester fand ich vor einigen Tagen erst bey meiner Zurückkunft von Leipzig, wo ich über eine Woche gewesen war, und in Gesellschaft meiner Dresdner Freunde wieder nach Jena zurückgekommen bin. Erst vor wenigen Stunden sind sie fort, nachdem sie sich über 8 Tage bey mir in Jena und Weimar aufgehalten. Ich mußte den Wirth machen, weil sie ihre Wohnung bey mir nahmen, und diß raubte mir alle Zeit selbst zu Geschäften, daß ich seit 14 Tagen nicht einmal ein Collegium las. Diß zur Entschuldigung, daß ich Deinen Brief nicht früher beantwortete.

Zu Deinem vergnügten Auffenthalt in unserm Vaterlande und im Schooß unsrer Familie wünsche ich Dir herzlich Glück; daß ich noch herzlicher gewünscht hätte, diese Freude mit euch theilen zu können, wirst Du mir ohne viel Versicherung glauben. So lange bin ich schon meiner Familie entrißen, daß ich mich beinah als allein auf der Welt betrachte, und nur an der stillen Sehnsucht, die mich oft zu den Meinigen zieht, noch erkenne, daß ich noch Angehörige habe. Ja liebste Schwester, was in meinem Vermögen steht werde ich thun, Deinen und unsrer lieben Aeltern und meinen eigenen Wunsch zu erfüllen, und meine Familie wieder zu besuchen; in wenigen Jahren werde ich im Stande seyn, dieses zu thun, und vielleicht geschieht es alsdann in Gesellschaft einer neuen Schwester für Dich, und einer guten Tochter, die unsern Aeltern Freude machen wird. Jezt in dem Augenblick, da ich dieses schriebe, habe ich die schöne Außicht vor mir, daß sie mein werden wird, daß ihr Herz schon mein ist; mein Glück und die Umstände müßen das übrige thun. Nennen kann ich sie Dir noch nicht, aber sobald ich dieses darf, wirst Du es erfahren.

Jezt würde eine so weite und kostbare Reise nach Schwaben nicht nur mein Vermögen übersteigen, sondern auch auf den Anfang meiner neuen academischen Laufbahn einen sehr nachtheiligen Einfluß haben. In den ersten 2 Jahren muß ich alle meine Zeit und Kräfte zusammen nehmen, mich in den Mittelpunkt meines neuen Fachs zu setzen und soviel möglich damit vertraut zu werden. Außerdem rauben mir schriftstellerische Arbeiten, die jezt allein meine Einkünfte ausmachen alle Augenblicke, die mir von Berufsgeschäften übrig bleiben. Diesen Sommer habe ich zwar nur ein einziges Collegium zur Einleitung in die Allgemeine Welthistorie gelesen, und zwar öffentlich, also ohne etwas dafür einzunehmen. Mit dem Winter aber lese ich schon 2 Collegien, die Geschichte der Römer und die Neuere Universalhistorie, die ich alle erst neu ausarbeiten muß.

Meine Lage läßt sich übrigens gut an, und noch biß jezt habe ich eine weit größere Anzahl Auditoren als hier irgend ein Profeßor hat. Behalte ich nur die Hälfte davon in Privatcollegien, so habe ich schon auf eine artige Einnahme zu rechnen. Freilich bezahlen wenige, und ein großer Theil ist zu arm, als daß man es fodern könnte. Indeßen hoffe ich im nächsten Jahr fixen Gehalt zu bekommen, wenn es auch nur einige 100 Thlr. sind.

Eure Briefe aus Schwaben hat mir Herr Küper überbracht, und mir durch seine Beschreibungen nicht wenig Freude gemacht. Er ist ein braver Mensch, und ist auch ein fleißiger Zuhörer von mir gewesen. Ueberhaupt habe ich fast bey jeder Vorlesung Fremde zu Zuhörern gehabt, und unter diesen verschiedne berühmte Gelehrte. Dieß hat mir nicht wenig Aufmunterung gegeben.

Daß Du die Nannette zu dir nehmen willst freut mich sehr; ich werde sie alsdann, sobald ich Haus und Heerd habe, aus Deinen Händen empfangen. Deine nächste Reise liebste Schwester wird, wie ich hoffe, zu Deinem Bruder seyn; alles, was brüderliche Liebe vermag und Jena angenehmes hat, wirst Du bey ihm finden.

Nimmt die Post das Paquet an, so lege ich etwas von meinen neuen Produkten an Dich und meinen Schwager bey. Grüße ihn herzlich und liebe wie bisher Deinen

treuen Bruder Fr. Schiller.