Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Georg Göschen

Jena d. 29 May [Freitag] 89.

Pardon! Pardon liebster Göschen, daß ich Sie dißmal habe stecken lassen. Die Veränderung, die während der letzten Wochen mit mir vorgieng, war zu zerstreuend für mich, als dass ich meiner Arbeit die einen gesammelten Geist erfodert, hätte gewachsen seyn können. Vorbereitungen auf Collegienlesen, gegebene und empfangene Besuche von Professoren und Studenten, die beym Eintritt in mein neues Amt unvermeidlich waren, nahmen alle meine Zeit und Stimmung dahin – und überhuien wollte ich doch um alles in Der Welt den Geisterseher nicht. Jezt gehe ich wieder daran, und will meine besten Stunden darauf verwenden. Aber sehr schnell verspreche ich Ihnen nichts. Wenn Sie aber wollen, so will ich im Intelligenzblatt der A. L. Z. eine Entschuldigung wegen des nicht gehaltenen Versprechens, das Sie auf meine Zusage gethan, einrücken lassen.

Noch einmal Verzeyhung liebster Freund – oder, wenn Sie unversöhnlich sind, so will ich mich an das weichere Herz Ihres Weibchens wenden!

Meine Vorlesungen habe ich mit einem Aufsehen, das mir sehr schmeichelhaft seyn kann, eröfnet.

In 2 Monaten sehe ich Sie in Leipzig aber ehe das geschieht, sehen Sie Mscrpt von mir.

Leben Sie recht wohl und glücklich.

Ihr treuer Freund

Schiller.