Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner

Rudoldstadt d. 1. Octob [Mittwoch] 1788.

Eben fange ich an, mich von einem rheumatischen Fieber zu erholen, das sich in ein Zahngeschwür aufgelöst und mich einige Wochen mit allen Plagen, besonders mit wüthenden Zahnschmerzen gemartert hat. Ich weiss nicht, was ich lieber ausstehen möchte, als das leztere – es hat mir alle Freude und Lust zum Leben gestohlen und meinen ganzen Kopf verwüstet. Jezt ist der Schmerz vorbei, das Gesicht aber noch geschwollen, und ich fange allmählig an, mich wieder in meinen Geschäften umzusehen.

Schon einige Posttage habe ich einen Brief von Dir erwartet; hoffentlich ist es kein Rückfall in Deine Krankheit, was Dich davon abgehalten hat, mir zu antworten; Dein lezter Brief machte mir so gute Hoffnungen wegen Deiner Genesung, und der Aufheiterung Deines Geists. Du hast angefangen, Dich zu beschäftigen; gewiß ist diß das souveraine Mittel, Deine Gesundheit zu verbessern. Möchten Dich Deine alten Ideen recht anziehen, möchtest Du Dich mit ihnen wie mit alten vernachlässigten Freunden und Bekannten wieder aussöhnen. Mir wird nie besser, als wenn meine Seele in den Gebieten herumschweift, die sie sich früher zum Tummelplatz gemacht hat. Indessen komme ich auf meinen alten Wunsch zurück, daß Du Dich nehmlich an eine Hauptarbeit machtest, Dich derselben ganz widmetest, ohne Dich auf Deinem Wege durch Furcht vor Unvermögen oder auch durch den Reiz anderer ablocken zu lassen. Eigentlich ist es ein Unglück für Dich, daß Dich der Hunger nicht zum Schreiben zwingt, wie unser einen. Dies würde Dich nöthigen, allen diesen Betrachtungen zum Trotze, zum Ziele zu eilen, und am Ende würdest Du doch finden, daß Du etwas geleistet hast, was Arbeit und Zeit lohnt; der leidige Muß würde ersetzen, was Dir an Selbstvertrauen und Beharrlichkeit fehlt. Wie oft ist es mir so ergangen!

Zwar was diesen Sommer betrift, kann ich mich nicht sehr mit meiner Arbeitsamkeit glorieren. Aber ich weiß die Ursache, und weiß auch, wodurch ihr abgeholfen werden kann. Ich fühle doch wirklich, dass ich mit den Fortschritten der Zeit manches gewinne, und manches abstoße was nicht gut ist. Es ist diesen Sommer allerlei in meinem Wesen vorgegangen, was nicht übel ist; besonders merke ich mir mehr und mehr an, dass ich mich von kleinen Leidenschaften erhebe. Freilich ist es schwer, daß sich mein Geist unter dieser drückenden Last von Sorgen und äußerlichen Umständen aufrichte, aber seine Elasticität hat er doch glücklich zu erhalten gewußt. Ich werde mich immer mehr und mehr auf mich selbst einschränken und kleinen Verhältnissen abstreben, dass ich die ganze Kraft meines Wesens so wie meine ganze Zeit rette und genieße. Ich sehe diesem Winter mit Heiterkeit entgegen, bringe einen ruhigen Geist und einen männlichen Vorsatz nach Weimar mit, davon Du bald die Früchte sehen wirst.

Die Niederl. Geschichte kannst Du vor Ende dieser Messe nicht erhalten, weil jezt eben erst der Titelbogen gedruckt wird. An die Thalia gehe ich dieser Tage wieder; dann aber setze ich sie ununterbrochen fort. Der Geisterseher muß mir noch 4-5 Hefte durch bringen, und dann behalte ich ungefähr die lezte 4 Bogen, in denen die Katastrophe enthalten ist, zurück, welche erst in der vollständigen Ausgabe, die ich davon mache erscheinen. Diese Ausgabe welche schwerlich unter 25 Bogen betragen wird (denn zu soviel habe ich reichlichen Stoff und das Publikum hoffe ich reichliche Neugierde) ist dann bestimmt, die Beitische Schuld und noch einige andre Posten zu tilgen, welche in Dresden ausstehen. Biß dahin also sei so gut und laß Beiten prolongieren, mache aber aus, daß ich jeden Monat und von funfzig zu funfzig Thn. wenn ich will abzahlen kann. Vielleicht schießt mir Göschen die Summe früher vor, wenn nur erst einige Hefte von der Thalia mehr heraus sind.

Lebewohl und gib mir ja bald Nachricht von Dir.

In der A. L. Z. steht meine Recension von Göthens Egmont1, wenn Du Lust darnach hast, und im September des t. Mercur werden auch Aufsätze2 von mir erscheinen, doch von wenigem Belang.

Grüße mir die Weiber herzlich, und lass mich ja bald hören, dass Du gesund und heiter bist.

S.