Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner

Rudolstadt, 1. September [Montag] 1788.

Die Gelegenheit Dich zu grüßen, ist gar zu schön, daß es Sünde wäre, sie zu versäumen, ob ich Dir gleich seit meinem letzten Briefe, worauf ich auf Antwort warte, nichts Neues zu schreiben habe. Becker hat einige Tage bei uns zugebracht, und beim Hofrath Beulwiz gewohnt. Man schätzt ihn da sehr, und ich muß gestehen, daß ich auch eine sehr gute Meinung von ihm habe, so sehr auch meine Art zu empfinden und zu denken von der seinigen mag verschieden seyn. Er ist ein stiller denkender und dabei edler Mensch, und, wie ich ihn beurtheile, sehr von Vorurtheilen frei. Sein Noth- und Hilfsbüchlein hat eine erstaunliche Ausbreitung erhalten. Die erste Auflage zu 30000 Exemplaren und auch die zweite zu fünftausend1 haben sich vergriffen, und er hat schon die dritte bestellt. Dies beweist doch, daß sich in der lesenden Welt so etwas durchsetzen läßt, wenn man nur recht dahinter her ist.

Ich wohne seit einigen Wochen in der Stadt selbst, weil das üble Wetter und die kalten Abende mir das Nachhausegehen nach Volkstädt zu beschwerlich gemacht und mir auch öfters Schnupfen zugezogen haben. Diese Leichtigkeit in Gesellschaft zu gehen trägt nun freilich nicht sehr zur Beförderung meines Fleißes bei, doch komme ich auch nicht aus der Uebung. Ich weiß gar nicht, wo dieser Sommer hingekommen ist. Ich habe einige recht heitere Tage darin genossen; ich habe manchmal mein Herz an der Natur erwärmt – aber das sollte ich Dir nicht sagen: Du verachtest ja die Mutter ihrer geputzten Tochter wegen. Frau v. Kalb wird dieser Tage auch wieder von ihrer thüringschen Reise nach Weimar zurückkommen. Auch schreibt sie mir, daß ich ihr Andenken bei Euch auffrischen soll. Ich habe sie jetzt über vier Monate nicht gesehen, wie ich aber höre, ist sie wohl, und die Zerstreuung hat ihr gut gethan.

Ich wollte, Du machtest Dich einmal wieder an die Hymne in der Anthologie, sie zu componiren2. Wir haben gestern deine Composition der Freude hier gespielt, und Alles war davon enthusiasmirt, von dem Chor besonders. In Gotha, sagt Becker, kennt man Deine Composition allein und singt sie häufig. Mache Dich doch an einige Strophen aus den Göttern Griechenlands; Du könntest mich recht damit regaliren. Sie sind gewiß sehr singbar, und einige leiden auch sehr die musikalische Behandlung. Du könntest mich und meine hiesigen Freunde ordentlich glücklich dadurch machen. Sie grüßen Euch alle recht schön unbekannterweise und lieben Euch schon längst. Adieu. Schreibe mir bald und alles sei gegrüßt.

Sch.