Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner

Volkstädt d. 12. Jun. [Donnerstag] 1788.

Deine Reise nach dem Carlsbad finde ich sehr vernünftig, aber die Gründe, die Dich dazu nöthigen, beunruhigen mich. Dass Du bey Deinem Temperamente, Deiner Constitution und Deiner Leichtigkeit zu existiren, zähes Blut machen sollst und an Verstopfungen der Leber laboriren, will mir nicht in den Kopf; auf jeden Fall wenigstens mußt Du Dich ja gleich von den ersten Anfängen warnen lassen, das Uebel nicht zu vernachlässigen. So wie ich Deine körperliche Constitution beurtheile, so hast Du eine etwas weiche, reizbare, und darum immer etwas schwächliche Nervenkraft, die bei Dir, wie ich aus Erfahrungen weiss, bey dem kleinsten Reitze, der entweder aus dem Gemüth oder aus physischen Unordnungen kommt, sogleich aufgeregt wird. Dir ist also Stärkung der festen Theile nöthig; aber sie muß durch eine gelinde Auflösende Methode allmählig vorbereitet und unterstützt werden, weil hier schon Verschleimungen entstanden sind, und also eine zu schnelle Stärkung und Constriction der Kanäle diese nur einsperren würde. Ich habe zu wenig Kenntniß der specifiquen Kräfte des Carlsbads, um es auf Dich anwenden zu können; aber bloss im allgemeinen betrachtet, muß es Dir zuträglich seyn. Ich wollte, daß Du mehr Vegetabilien in Deine Diät mischtest und über Tische immer ein oder 2 Gläser Wein tränkest, um Deine Circulation frischer und leichter zu machen.

Hier ein Pröbchen Medizin1. Verzeyh mirs. Ich will warlich nicht an Dir pfuschen; aber ich glaubte, daß meine Bekanntschaft mit Dir überhaupt mir einige Aufschlüsse über Deine Animalität könnte gegeben haben, die einem landfremden Parktikus nicht gleich zu Gesichte liegen.

Aus Weimar, soviel ich weiß, wird niemand ins Bad gehen, der Dich interessieren könnte. Ein Herr G. Regierungsrath von Schardt mit seiner Frau hat sichs vorgenommen; er selbst ist ein armer verrufener Sünder, dessen erster Debut Dir alle meine Vorerinnerungen ersparen wird, aber seine Frau dürfte Dich doch interessieren. Ein feines, schlaues, einschmeichelndes Geschöpfchen, nicht ohne Geist, nicht ohne Genie sogar, eine Espéce von Dichterin, wovon ich einige niedliche Pröbchen gesehen habe; dabei Coquette und sehr begehrlich obendrein; kurz ein sinnlich spirituelles Wesen, das einem, im Bade besonders, nicht Langeweile machen muß. Zugleich hat sie eine gewisse Delikatesse und Feinheit des Umgangs, die gefällt, und die noch mehr gefallen würde, wenn man ihr nicht das ängstliche Bestreben abmerkte, zu gefallen, das sie ihrerseits durch Räucherwerk und Schmeicheleyen zu erhalten sucht. Ihr Mann ist der Fr. v. Stein und der Imhof Bruder (in dieser Familie sind die Weiber gescheid und die Männer dumm biß zum Sprüchwort), und sie ist eine Niece der Gräfin Bernstorf. Sprichst Du sie, so sage ihr, daß Du mich kennest. Möglich ists übrigens doch, dass noch jemand sich entschließt, die Parthie mit zu machen. Sogar Charlotte hatte den Einfall, diß Jahr ins Carlsbad zu gehen, aber es hat keinen Anschein mehr, dass sie ihn ausführen wird. Ja so! Fast hätte ich das schönste vergessen: – Mlle. Schröder2 wird hinkommen. Gesagt ist es wenigstens worden, denn ich weiss, dass ich mich gewundert habe, wovon sie die Depense macht; und eben fällt mirs ein, ich habs von der Schmidt, also dürfte wohl ein Bischen Médisance mit unterlaufen. Aber um Dir eine so gar interessante Nachricht mit Gewißheit zu geben, will ich morgen an sie schreiben.

Daß Herder nach Italien geht, wirst Du aus der Zeitung wissen; es ist keine bloße Zeitungsnachricht – Charlotte schreibt mirs als gewiß. Göthe wird auf den 20sten hujus erwartet. Man ist sehr begierig, ob er bleiben wird. Der Hofrath Voigt ist jezt in die Kammer versetzt und Schmidt dabey Präsident worden.

Schade, das Deine Karlsbader Reise nicht um ein Jahr später fällt. Wie schön wärs, wenn ich euch da überraschen könnte; aber so gut wird mirs diß Jahr nicht. Ich schmachte nach dem Augenblick, wo ich anfangen kann Schulden zu bezahlen, und dieses will erschrieben seyn. Gottlob, ich habe Muth, und das wird mir denn auch Succès verleihen. Jetzt dank ich dem guten Zufall, der mir den Geisterseher zuführte. Lache mich aus, soviel Du willst, ich arbeite ihn ins Weite, und unter 30 Bogen kommt er nicht weg. Ich wäre ein Narr, wenn ich das Lob der Thoren und Weisen so in den Wind schlüge. Göschen kann mir ihn gut bezahlen. Den Menschenfeind hab ich auch wieder in den Vordergrund gerückt, und hoffe ihn auf den October geendigt zu haben. Ich will mich nicht so sehr um Details bekümmern. Endlich kommt doch wohl eine Zeit, wo ich etwas ganz ohne Nebenrücksicht schreiben kann; für die nächsten Jahre genug, wenn ich nur nicht zurückgehe bey dem Publikum. Aber vorwärts muß es ja immer.

Im 10. Junius der A. L. Z. wirst Du eine Recension des Carlos finden. Hufeland sagte mir, daß drey Recensenten den Carlos ausgeschlagen hätten. Diese Recension – sie nimmt das ganze Zeitungsblatt ein und ist noch nicht geendigt – verräth einen jungen Mann von vielem Feuer. Ich kann sie jezt noch nicht ganz schätzen, weil die Fortsetzung noch zurück ist. Du willst wissen, was ich recensiert habe; dißmal lauter unbedeutendes – im Monat April und May: 1) Friedrich der Große. Ein Gemählde. p. 212. – 2) Dyanasore, oder die Wandrer. p. 204. 205. – 3) Encyklopädie von Hoff. p. 219. – 4) Beyträge von Eckartshausen. S. 216. – 5. Historische Nachrichten und Lebensjahre Friedrichs II. von Herzberg (in den litterarischen Nachrichten vom May. p. 2773. In der Pandora die nun bald herauskommt findest Du auch ein Gedicht von mir: Die berühmte Frau4.

Dein Urtheil über die Götter Griechenlands mus ich noch nachholen. Was Du von gesuchten Nahmen sagst, dürfte mich nicht treffen5. Ich mußte ja, um keinen Mischmasch zu liefern, alle römische Benennungen vermeiden, weil ich nur von Griechenland rede: so statt Ceres Demeter, statt Aurora Himera, statt Proserpina Persephone, statt Luna Selene, statt Apollo Helios. Nicht zu rechnen, dass ich gern die gewöhnlichen Nahmen vermied, die mich durch ihre Trivialität anekeln. Mit Ganymeda allein habe ich mir etwas herausgenommen, weil das Wort ungemein schön fließt und ich 4 Silben brauchte, ein Epithet aber nicht gern mochte. Die Note aus Pausanias ist ohne mein Angeben von Wieland beygesetzt worden6. Mir gefällt diß Gedicht sehr, weil eine gemäßigte Begeisterung darinn athmet, und eine edle Anmuth mit einer Farbe von Wehmuth untermischt – und just diese scheint flacher auf Dich gewirkt zu haben. Meine liebsten Stellen sind die: I. II. III. VI. XI. XIV. XVI. XVII. XIX. XX., und zwar weniger der Gedanken wegen, als wegen des Geists der sie eingab und wie ich glaube darinn athmet.

Was Du über die Fortsetzung des Geistersehers sagst7, mag wohl wahr seyn. Die Auflösung durch den Sicilianer ist allerdings gezogen, aber in solchen Fällen kann man kaum zu deutlich seyn; und was für Ursachen sollte ich gehabt haben, gerade hier den besten Leser im Auge zu haben und mich um einen Bogen Honorarium zu bringen?

Der zweyte Artikel Deines Briefes8 – das projectirte Journal, verdient eine eigene Beleuchtung kann ich heute noch dazu kommen, so schreib ich Dir darüber und leg es bey. Jetzt lebewohl, und gib mir bald gute Nachrichten von Dir und den anderen. Ich bin von meinem Catarrh wieder genesen und befinde mich gar wohl hier. Lebewohl.

Schiller.

Schreibe mir recht bald und ausführlich. Ich lege noch ein Postscript bei. Das Hutfutteral soll nicht vergessen werden.

      P. S.

Für die Grundlage eines Journals, das man in viele Hände bringen will, ist Dein Plan offenbar zu ernsthaft, zu solid – wie soll ich sagen? zu edel. Betrachte alle Journale, die Glück gemacht haben, und sieh nach, wodurch sies gemacht haben. Unsere philosophischen Briefe in der Thalia sind ein Beispiel eines, nach Deinem Plane äuserst zweckmäßigen und schönen Produckts – – wie viele Leser haben sie gefunden? Giengen wir also von Deiner Idee aus, so müßten wir es uns ja nicht anmerken lassen. Cagliostros und Starks, Flamels Geisterseher, geheime Chronicken, Reiseberichte, allenfalls piquante Erzählungen, flüchtige Wanderungen durch die jetzige politische und in die alte Geschichtswelt – das sind Objecte für Journale. Vor allen Dingen müßten wir es uns zum Gesetz machen, unseren Stoff entweder aus dem Moment, d. h. aus dem neuesten zu wählen, was bey der Lesewelt eben im Umlauf ist, oder aus den entlegensten Feldern, wo wir durch das Bizarre und Fremde Eingang finden würden. Ich sage dieses gar nicht, um Deine Idee wegzuraisonnieren; nur müssen wir das Glück, wenigstens das erste Glück des Journals, nicht von ihr erwarten. Hat dieses einmal Posseß von der Lesewelt genommen, so kann Deine Idee ihm die Dauer vielleicht versichern. Interessante – leicht und elegant behandelte Situationen, Karaktere u. s. w. aus der Geschichte, erdichtete moralische Erzählungen, Sittengemählde, Dramatische Vorstellungen, allenfalls populäre und dabey gefällige Ausführungen philosophischer, vorzügl. moralischer Materien, Kunstkritiken, Satyrische Schilderungen, Meißnersche Dialogen9 und dgl. müßten unser Debut seyn. Vor allem anderen aber muß 1) der Buchhändler das seinige thun, um dem Journal Ausbreitung zu geben; 2) muß es rasch und praecise auf einander folgen, 3) im Preiss nicht zu hoch seyn, und 4) womöglich sich durch interessante Nahmen empfehlen. Mein Nahme gilt freilich, aber doch nicht gerade bei allen Klassen, um deren Geld es uns zu thun ist; bei denen muß man z. B. einen Garve, Engel, Gotter, oder einen Biester und seines Gelichters (ich meyne nicht die Menschen selbst sondern ihre Arten) affichiren. Vielleicht, daß es mir gelingt, Herdern, wenn er aus Italien zurück ist, durch große Preiße zu locken; vielleicht komme ich mit Göthen in Verbindung; von Gottern dächte ich auch Beyträge zu erhalten. Meine Hauptidee ist, wirklichen Gehalt der Autoren und Sachen womöglich zur Lockspeise zu machen, diese aber in Moden-stoff arbeiten zu lassen.

Die Hauptfrage wird nun diese seyn.

Göschens Vortheil und Wunsch ist es, ein gangbares, jeden Monat rendierendes und accurat erscheinendes Journal zu verlegen; der unsrige ist, den meisten Antheil daran zu haben und es gut bezahlt zu bekommen. Ein ganz neues hat zu diesem Zweck einen weit schwereren Weg. Das Archenholzsche10 ist im gang, aber die Zeit, wo er es aufgiebt, ist unbestimmt, und – aufrichtig zu reden – ich möchte ihm nicht gern succedieren; die Thalia, sagst Du, bezahlt die Unkosten. Gut. Innerhalb 5 Monaten erscheinen wenigstens noch 3 Hefte, wo in jedem 3-4 Bogen Geisterseher sind, auch in einem – Scenen aus einem Schauspiel. Diß muß nun entschieden, ob die verlangte Wirkung nicht von der Thalia zu hoffen ist. Fängt diese an, sich besser zu vergreifen, so drücke ich nach, was ich nur kann, und kündige dann mit dem lezten Decemberstück einen regulairen Fortlauf und den erweiterten Plan des Journals mit den berühmten Nahmen seiner neuen Mitarbeiter an. Zugleich lasse ich die ersten 5-6 Lieferungen den neuen Titel, den wir zweckmäßiger finden werden, bey dem alten mit fortgehen, dass man sich daran gewöhnt, beide für ein Buch zu halten; und alsdann erst nehme ich ihm förmlich seinen vorigen Nahmen und gebe so viele Abdrücke von dem neuen Titel, als von dem ganzen Journal-Hefte heraus sind, dass derjenige, der Ordnung liebt, am Ende nur Ein Journal hat. In dieses Journal nun kannst Du geben, was Du willst, und wie Du mit Göschen übereinkommst. Ich verpflichte mich, etwas in jedes Heft zu geben, und im Ganzen wenigstens 25 Bogen des Jahres; aber er muß mir 3 Louisdors für den Bogen bezahlen (die ich an Originalarbeiten – im Drama, Gedicht und in Erzählungen liefre). Ich glaube, daß ich das mit Recht fodern kann, weil dieserlei Aufsätze mir erstlich mehr als einem anderen die seinigen kosten, weil ich die Momente dazu abwarten muß; weil sie auf seiner Seite dem Debüt des Journals gewiß nützen, und – weil mir ein anderer das angeboten hat. Was ich sonst gebe, bezahlt er mir wie sonst. Dafür nun gebe ich dem Journal, wie gesagt, wenigstens 25 Bogen Originalarbeit; ich gebe ihm, wenn man das wünscht, meinen Namen, treibe berühmte Mitarbeiter zusammen (versteht sich keine solche Anzahl, die merklich ins Geld greift) und kurz, thue alles, was der Verleger zur Aufnahme des Journals durch mich erhalten kann. Dir bleibt dann der größere Theil der Aufsätze, für deren Herbeyschaffung ich Dich und Deinen Genius sorgen lasse. Nur, Herr Oberconsistorialrath, mit dem Publikum alsdann nicht gespaßt, sondern hübsch, wie es einem rechtschaffenen Kutschpferde von Journalisten zukommt, und wie ich es meinerseits gewiß auch thun werde, bey der Stange geblieben, und nicht gleich bey der ersten Station niedergefallen. Wenn Du Dich nicht während der 6 nächsten Monate lieber aufs künftige Jahr füttern willst, so kannst Du mir gleich jezt Aufsätze in die Thalia geben, die Dir Göschen wie mir bezahlen soll. Den Mercur werde ich nie ganz aufgeben; ich weiß warum.