Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner

Weimar, 15. April [Dienstag] 1788.

Huber habe ich wiedergesehen, aber nur im Fluge und so, daß wir einander wenig haben genießen können. Mittags am 9. kam er an, und den folgenden Morgen sind wir zusammen nach Erfurt gefahren, wo sein Gesandter die Nacht geblieben war. Weil ich Charlotte in Gotha vermuthete, so war sogleich mein Entschluß gefaßt; ich ritt von Erfurt aus dahin, um unterdessen, bis Huber nachkäme, ein Rendez-vouz zu veranstalten. Aber der Teufel stellte sich wiederum dazwischen, daß Huber und sie nicht zusammenkamen. Sie war just bei einem großen Diner unter zwölf unbekannten, steifen Gesichtern, wo sie nicht gleich loskommen konnte, und Huber konnte sich keine Stunde in Gotha verweilen, weil sein Gesandter dem Herzoge ausweichen wollte. So ist also abermals aus dieser Zusammenkunft nichts geworden und – es soll nicht seyn. Ich könnte und möchte Dir allerlei über Huber schreiben, aber wie gesagt, ich habe ihn kaum obenhin genießen können, und wenn dir das deutlich ist, mein Senkblei ist bei ihm nicht ganz auf den Grund gekommen. Jezt liegt und drückt die Neuheit der Lage noch auf ihn, Gegenwart und Zukunft durchkreuzen sich bei ihm wunderbar, und alle seine Kräfte sind durcheinander gemengt. Seine Briefe sollen uns mehr von ihm sagen. Du hast mir nicht geschrieben, daß er Maçon ist, wie auch nichts von dem Eigentlichen seiner Versorgung, die mir sehr honorabel und zulänglich erscheint. Man kann es nicht anders als ein Glück nennen, und ich nenne es ein vollkommenes Glück, wenn sein Geist sich erst darin gefunden, oder besser, damit abgefunden hat.

Mit Deinem Briefe an Julius1 hast Du mich ganz überrascht. Thätig habe ich Dich gar nicht vermuthet, und vollends thätig für mich. Über die Art, wie ein lebhafter freier Geist dennoch das Joch fremder Meinung ziehen kann, sind lichte Blicke darin gegeben, und wie es kommt, daß sich ein solcher Geist, wenn er diesem Joche entrissen wird, gerade in diese Bahn wirft. Nur das gibt mir wenig Trost, (so recht Du auch haben magst) daß auch die Wahrheit ihre Saisons bei den Menschen haben soll, daß, wie Du hier annimmst, eine gewisse Philosophie in einer gewissen Epoche für unseren Julius gut seyn soll und doch nicht die wahre seyn soll; daß man hier, wie in Eurem maurerischen Orden im ersten und zweiten Grade, Dinge glauben darf oder gar soll, die im dritten und vierten wie unnütze Schalen ausgezogen werden.

Daß sich mein Julius gleich mit dem Universum eingelassen, ist bei mir wohl individuell; nämlich, weil ich selbst fast keine andere Philosophie gelesen habe und zufällig mit keiner anderen bekannt geworden bin. Ich habe immer nur das aus philosophischen Schriften (den wenigen, die ich las) genommen, was sich dichterisch fühlen und behandeln läßt. Daher wurde diese Materie, als die dankbarste für Witz und Phantasie, bald mein Lieblingsgegenstand.

Was Du von den sogenannten Taschenspielerkünsten der Vernunft sagst, die Kunstgriffe, wodurch man der Wahrheit gleichsam zu entrinnen sucht, um ein System zu retten, finde ich sehr gut gesagt: mir hat es Klarheit gegeben. Ich müßte mich sehr irren, wenn das, was Du von trockenen Untersuchungen über menschliche Erkenntniß und demüthigenden Grenzen des menschlichen Wissens fallen ließest, nicht eine entfernte Drohung – mit dem Kant in sich faßt. Was gilt’s, den bringst Du nach? Ich kenne den Wolf am Heulen. In der That glaube ich, daß Du sehr recht hast; aber mit mir will es noch nicht so recht fort, in dieses Fach hineinzugehen.

Noch eins. Du verwirfst die Kunstidee, die ich auf das Weltall und den Schöpfer herübertrage; aber hier, glaube ich, sind wir nicht soweit von einander, als Dir scheint. Wenn ich aus meiner Idee alles herausbringe, was Du aus der Deinigen, so wüßte ich nicht, was Du ihr anhaben solltest. Aber dies auf den nächsten Donnerstag. Ich muß jezt abbrechen, um ein Paket an Crusius zu expediren.

Ich sehne mich nach der Nachricht von der Minna glücklicher Niederkunft. Wenn ich beten könnte, so wollte ich sie in mein Gebet einschließen, und das sollte wirken. – Grüße sie und Dorchen tausendmal. Ich habe Dir noch mancherlei zu schreiben, das aber warten kann und muß.

      Dein

S.

Du hast Doch die Quittung erhalten und den Brief, worin ich Dich bat, mir funfzig Thaler von den hundert zu schicken, und sobald Du kannst2. Ich habe heut schmerzlich darauf gewartet.