Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Henriette von Wolzogen

Weimar den 1. Aug. [Mittwoch] 87.

Der Ort woraus ich diesen Brief datiere, wird Ihnen sagen, liebste Freundin, daß wir uns um einige zehen Meilen näher sind. Ich werde wenigstens 3 Monate hier und in hiesigen Gegenden zubringen, und wahrscheinlich zu Ende Septembers vor Ihnen erscheinen. Ich werde in Bauerbach in Ihrer Gesellschaft einige der glücklichsten Tage meines Lebens erneuern. Ja liebste Freundin, mein Herz öfnet sich bei dieser fröhlichen Aussicht nach langer Zeit wiederum der Freude. Wir werden uns wiedersehen, wir werden finden, daß unsre Freundschaft unvergänglich war und seyn wird. Keine Zeit, kein Schiksal kann die süße Erinnerung Ihrer Güte, Ihres herzlichen Wohlwollens aus meiner Seele löschen. Ich bedarf der großen Aufforderung der Dankbarkeit selbst nicht, um Ihnen anzuhängen mit ewiger herzlicher Freundschaft.

Daß Sie jetzt noch nichts von mir empfangen haben ist dißmal meine Schuld nicht. Ich habe Sie mit keiner falschen Hoffnung vertröstet, sondern mein Plan war gemacht, und gegen meine Erwartung schlug er fehl. Döbbelin, Schauspieldirector in Berlin, und Großmann aus Hannover hatten mir meinen Carlos für ihre Theater schon abgekauft. Dieses Geld, das ich täglich erwartete, war Ihnen bestimmt und beide schreiben mirs ab. Jener, weil er seine Direction verloren, welche Prof. Engel, mein erklärter Feind, erhalten; dieser, weil er außer Stande ist zu bezahlen. Vielleicht lege ich ihnen beider Briefe bei, wenn ich sie noch finde. Jezt habe ich noch verschiedenen Theater geschrieben, um meinen Carlos sonst wo zu verkaufen. Ich muss nun erwarten ob der Himmel meine redliche Absicht unterstüzen wird. Glauben Sie mir liebste Wolzogen (wir wollen ernstlich davon reden) glauben Sie mir, dass diese vielen Hindernisse die sich seit 3-4 Jahren mir in den Weg werfen, daß ich sie nicht bezahlen kann, manche Stunde meines Lebens zu einer Marterstunde für mich machten, dass ich viel viel darum leiden muß, und schon dadurch, durch diese Verbitterung der besten Zeit meines Lebens die Sorgen abbüße, die ich Ihnen durch vereitelte Hoffnungen mache. Wäre mein Metier durch Fleiß, durch Handarbeit, durch Hunger zu erzwingen, sie würden bezahlt sein, aber meine Arbeiten wollen Abwartung, Heiterkeit des Geists, und kann man dieser befehlen? Kann ich bei den vielen Sorgen die mich bestürmen, diese Seelenruhe erhalten, bei welcher allein ich etwas in meinem Fache leisten kann? Gewiß, gute liebe Freundin, sähen sie in mein Herz, könnten sie sich in meine Situation denken, gewiß sie würden nachsichtig gegen mich sein. Doch – Sie sind es ja, sie waren es ja immer, Sie haben Geduld mit mir gehabt, und ich küsse Ihnen mit der innigsten Dankbarkeit dafür die Hände. Seien Sie versichert, dass ich keines Mahners bedarf. Mein Herz, meine tiefe Schaam mahnen mich genug.

Jezt noch ein Wort. Mein Schiksal kann sich in einem halben Jahr vielleicht ändern. Ist mir eine Versorgung gesichert, so hoffe ich einen Freund zu finden, der mir das Geld vorschießt, Ihnen genug zu thun. Das weitere, wenn wir uns sprechen, doch hoffe ich immer, dass ich Ihnen etwas Geld mitbringen kann. Ihren lieben Kindern und Charlotten vorzüglich empfehlen Sie mich tausendmal und glauben daß ich ewig bin Ihr

getreuester Freund Schiller.