Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner

Tharand d. 22. April [Sonntag] 87.

Morgen früh um 4 Uhr geht eine Frau von hier nach der Stadt, ich will diese Gelegenheit nicht vorbey lassen, euch zu grüßen.

Heute war der erste erträgliche Tag unter sechsen, die ich hier zubringe. Ich bin auf den Bergen, Dresden zu, herumgeschweift, weil es da oben schon ganz trocken ist. Wirklich habe ich diese Bewegung höchst nöthig gehabt; denn diese paar Tage, auf dem Zimmer zugebracht haben mir, nebst dem Biertrinken, das ich aus wirklicher Desperation angefangen habe, dumme Geschichten im Unterleib zugezogen, die ich sonst nie verspürt habe.

Bei eben so schlechtem Wetter hätte ich in der Stadt doch mehr Bewegung gehabt, auch Plätze gefunden, die man wandeln kann – hier aber ist alles Morast; und wenn ich Motion halber in meinem Zimmer springe, so zittert das Hauß und der Wirth fragt erschrocken, was ich befehle. Diesen Nachtheil meiner Gesundheit weggerechnet, habe ich mich doch so ziemlich gegen den Einfluß der schlechten Witterung behauptet. Meine bisherigen Arbeiten foderten auch diese feinere Stimmung nicht. Es war mehr Ordnen von Bruchstücken und Uebersetzung meiner Prosa in Jamben. Eine einzige schöne Frühlingswoche muß nun alles thun. Uebrigens siehst Du ein, daß ich viele glückliche Ideen, manche Foderungen meines beßeren Gefühls wegen der erstaunlichen Eile abweisen muß – und auch gut, daß es so ist. – Der Carlos ist bereits schon überladen, und diese anderen Keime sollen mir schrecklich aufgehen in den Zeiten reifender Vollendung.

Die Liaisons dangereuses sind allerliebst geschrieben. Ein fortreißendes Interesse – feiner und lebhafter Witz – eine musterhafte Leichtigkeit für die Briefgattung – dabei treffende wahre Bemerkungen über den Menschen und Sentiment. Ich gestehe, daß ich weniges mit sovielem Vergnügen gelesen habe. Es ist in der That schade, daß ein großer Theil der Schönheit des Buchs in dem ligt, was man mit gutem Gewissen nicht allgemein machen kann – denn das Uebrige ist selbst für die Bildung zu empfehlen. Die Briefe des kleinen Volanges zum Beispiel sind eine vortreffliche Schilderung der ersten unschuldigen Liebe. Du wirst mich für paradox halten, aber ich muß Dir gestehen, daß es mir feine und wirklich edle Gefühle gegeben hat – ich würde für das Frauenzimmer nicht erröthen, das mir gestände diese Briefe gelesen und vortreflich gefunden zu haben – ich würde es nicht, nehmlich wenn ich wüßte, daß dieses Frauenzimmer Geist genug hätte sie ganz zu verstehen. Uebrigens wünschte ich von diesem und ähnlichen Büchern die nachlässig-schöne und geistvolle Schreibart annehmen zu können, die in unserer Sprache fast nicht erreicht wird.

An den Charles XII.1 habe ich mich noch nicht gemacht. Biß jetzt wollte ich nur Genuß – dieser würde mich beschäftigen.

Vom Werther habe ich noch keinen Gebrauch machen können, es müßte denn seyn, daß ich, wie er, auf einem Felsen den Hut verloren hätte.

A propos Lass doch irgendwo in der Stadt anschlagen, daß mir in der Rieschischen Gesellschaft ein Hut abhanden gekommen.

Deine Minna und Dorchen grüße herzlich von mir. Der Wolfinn2 mache mein Compliment nebst schuldiger Danksagung für ihre Mühe. Das englische Bier, wenn es noch nicht bestellt ist, mag ich für 4 gl. nicht, denn es ist schlechter als das Ludwigische. Die Briefe an die Arnim werden wahrscheinlich an Ort und Stelle seyn. Sonst sei so gut und sorge, dass sie hingeschickt werden. Jetzt adieu. Ich bin schläfrig und müde. Diese Woche denke ich Euch einen Kaffee beim Hegereiter vorzuschlagen, wenigstens Dir und Huber, wenn es unseren Weibleins zu zeitig ist. Ihr würdet gegen 7 Uhr dort seyn müssen, denn ich stehe jetzt immer um 5 Uhr auf. Ich weiß nicht, woher es kömmt, denn mein ernstlicher Vorsatz ist es nicht, auch weckt mich kein Geräusch. Den Tag kann ich noch nicht bestimmen. adieu. Einschluß besorge sogleich an Huber.

Schiller.