Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner

Dresden d. 5. Jan. [Freitag] 1787.

Deine gelehrte Bekanntschaften, Deine große Weltbürgerei, welche Du in Leipzig Dir vorgenommen hast, ist wie es scheint, eben so still abgegangen, wie meine zu stiftende Connaissancen in Dresden, d. h. es blieb beim Alten und wir können gegen einander aufheben. Ein wenig lieb ist mirs doch weil ich sonst gefürchtet hätte, von Dir ausgelacht zu werden. Jezt sei ja still!

Es geht mir hier wie Hubern. Ich habe erstaunlich gründliche Ursachen, warum ich es unterlassen habe, die bewußten Menschen aufzusuchen. Am Ende aber ist es keine andere als baare Verzweiflung etwas zu finden das mir das Suchen verlohnte (weil doch das Suchen mit einigen Abhängigkeiten verbunden ist). Ich war also nirgends als wo Du weißt1, und dort nicht gar zu häufig.

Die lezteren 8 Tage war ich fast immer auf dem Zimmer, weil ich das versäumte einbringen wollte, und ein Catarrh den ich noch heute nicht ganz verloren hat mir auch zu dem leztern den Kopf verdorben. Es ist also am Ende erstaunlich prosaisch gegangen von allen Seiten. Solltest Du glauben, daß mir Bekker beinahe etwas geworden wäre – und ich ihm? Es kam von einem ernsthaften Gespräche über die Religion und Philosophie, wo es mich überraschte, Wärme bei ihm zu finden. Am Ende ist es vielleicht nichts als sein weiches Naturell, das er dadurch zu Grundsäzzen veredeln will. Mir wars ein Phänomen das ich nicht umhin konnte zu schäzzen. Er kam welches nun freilich bei ihm kein so großes Phänomen ist er kam auf sich selbst zu sprechen, und gestand daß er sich von vielen Schwächen habe heilen können aber von einer einzigen nicht die er sehr gut einsehe – da, glaube ich, lag das Wort Eitelkeit auf seiner Zunge. Denn mir ists unbegreiflich daß er diese nicht einsehen sollte.

Vor einigen Tagen waren wir beim Fizrath zu Abend gebeten wo ein Herr Charpentier2 aus Freiberg mir nicht uninteressant war. Eine anziehende sanfte Physiognomie, viel Gutherzigkeit welche glaube ich durch eine Politur der großen Welt noch gewonnen hat. Stille im Karakter, oder besser Sanftmut, wird durch die Mäßigung, welche die große Welt gibt, ungemein imponierend. Die Wagnern hat mir Naumanns Musik zu der Freude gespielt, wo die vorlezten Verse der Strophe mir sehr gefielen:

Bettler werden Fürstenbrüder
Durch den Riß gesprengter Särge
Laßt den Schaum zum Himmel spritzen.

Ueberhaupt, glaube ich, hast Du oder wer mir die Composition tadelte, ihm zu viel gethan. Dein Chor gefällt mir ungleich besser als seiner – aber im ganzen Lied ist ein herzliches strömendes Freudengefühl und eine volle Harmonie nicht zu verkennen. Sonst dünkt es mich ein wenig zu leicht und zu hüpfend.

Ueber Tische wurde eine Blumauerische Ode an den Nachtstul vorgelesen welches ganz charmant war. Es ärgert mich daß ichs nicht abschrieb, um es euch zu dem nämlichen Gebrauch zu schikken.

Es wird mir ganz ungewohnt seyn, wieder aus eurem Hause zu ziehen3. Ich bin so nach und nach ganz damit verwandt worden und auf Deinem Zimmer, welches zu Deiner Schande gesagt sei, läßt sichs trefflich arbeiten. Aber der Minna sage doch daß ich sie herzlich bedaure wegen ihrem Schlafen; denn wenn Du es in der Nacht machst wie Huber, so ligt Dein Kopf immer in ihrem Bette, und das ist verfluchtes Schlafen, wie ich an mir weiß. Ueberhaupt bin ich für das Bette zu groß oder es ist für mich zu klein, denn eins meiner Gliedmaßen campiert immer die Nacht über in der Luft.

Lebe nun wohl mit unsern lieben beiden. Bald bald haben wir uns wieder – daß in den ersten Stunden unsers Wiedersehens auch fremde Menschen von euch schwelgen sollen, könnte mich fast verdrüßen, wenn ich nicht einsähe, daß es so kommen mußte. Von Charlotten habe ich noch nicht Antwort, und das kömmt wahrscheinlich daher, weil meine Briefe an Sie 14 Tage und drüber unterweges bleiben. Bek hat mir geschrieben4, dass er in Mannheim seinen Abschied gefodert aber noch keine Resolution erhalten hat5.

Adieu, Lieber. Tausend Grüße überal – Wiedersehen!

Schiller.