Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Ferdinand Huber

Dresden d. 17 Mai [Mittwoch] 1786.

Die jezige und beinah auch die vorige Woche sind für mich ein eigentliches Schlaraffenleben, denn ich genieße nur von der Minute. Unthätig bin ich beinahe ganz. Einige Soupees, ein gewißer Violinspieler Fränzl aus Mannheim mit seinem Sohn Conzertmeister und Musikdirektor des mir ewig theuren dortigen Theaters der 10 Tage hier war, Körners Uebelbefinden, der sich aber wieder erhohlt und nun vollends die Erwartung der Dinge, die da kommen sollen – vielleicht in der nächsten Minute kommen alles diß entführte mich mir selbst, und wird es so Gott will noch einige Tage. Bei Deiner Zurükkunft wirst Du wenig gethan finden, wenn es nicht Deine gescheuerte Stube ist, womit ich zum Erbarmen von Dorchen und Minna gequält werde.

S. ist hier, schon seit gestern Nachmittag. Es ist jezt 9 Uhr Vormittags und ich habe noch nichts von ihm gesehen. Da ich weiß wo er logiert, so hätte ich ihn aufsuchen können, beßer überlegt aber, ist es just nicht das schiklichste. Ich werde also wenigstens mit diesem Nothpfenning von Empressement wirthschaften bis auf den Abend. Zeigt er sich unterdeßen noch nicht, so ist Plan dahinter, der meiner bisherigen Vernachläßigung gilt.

Wirst Du mir wol glauben, daß ich mich eigentlich auf dieses Wiedersehen freue? Schwan selbst vorzüglich wird mir nie aufhören intereßant zu sein, auch ohne daß ich mirs merklich bewußt bin. Schwan ist der erste Ausländer, der mir sagte, ich wäre etwas, der erste überhaupt den meine Schriftstellerei angeworben, und der keinen geringen Antheil an der Fortdauer meiner Autorschaft hat. Von meinen eigenen Landsleuten ignoriert, empfieng ich von ihm die erste Opferung, und die erste ist so süß, so unvergeßlich. Nachher banden uns Zufälle und Gewohnheiten an mehreren Punkten jedoch ohne sehr große Festigkeit. Losreißen kostete kein Blut, aber die Narbe wird sich niemals verlieren, wenn sie gleich nicht entzündet war. Ich glaube er hegt für mich einen – nach seiner Art – hohen Grad von Anhänglichkeit, deren Wirkungen ich selbst unmittelbar wenig empfinde, aber historisch weiß und erklügeln kann. Nun kömmt es darauf an, wie viel von dem bishergesagten ich nach unserm tête à tête widerrufen oder bestätigen werde.

Was Du mir von Vereitlung Deiner schriftstellerischen Projekte schreibst, ist mir verdrüßlich genug. Indeßen ist es ein Glück, daß Du Paisan parvenu noch nicht angefangen hattest, da wahrscheinlich Mylius schon weit darin avanciert seyn wird. Übersezungen englischer Stüke würde ich euch ohne die geringste Partialität für Shakespear, misrathen. Es gab eine Epoche in Deutschland, wo es Verdienst hätte heißen können, aber jezo verachtet der Luxus der Litteratur diese Beisteuer aus fremden Landen. – Ein Schauspiel, das keine Speculation für die Bühne und keine für die Mode ist, wenn es kein schöpferisches Produkt des Genies ist, würde in der lesenden Welt eine alte Jungfer werden. Schrekliches Schiksal für ein Schauspiel. – Die Anstrengung die es Dich kosten würde, Diß zu verhindern, wäre eine Sünde wider den heiligen Geist.

Mehr intereßiere ich mich für einige andere Stellen in Deinem Briefe, wo Du von den vergeßenen Perlen in dem Reich der Geschichte sprichst. Möchte ein guter Genius diesen Gedanken in Dir zur Reife bringen! Das Beispiel S. Reals und anderer sollte Dich billig erwärmen, um so mehr, da dieses Fach unwidersprechlich das Deinige werden müßte. Zapfe einmal diese Fäßer in Deiner Phantasie an, ich wette, daß Du Dich reicher finden wirst als Du vermuthest. –

Kannst Du Dir vorstellen, daß ich gestern 2 Arien und 1 Terzett zu einer Operette gemacht habe, und daß der Text schon in den Händen des Musikus ist. Ich hoffe, und das ist meine selige Zuversicht, ich hoffe daß die Musik noch immer um einen Gran schlechter als meine Arien ausfallen wird, und diese sind gewiß schlecht – Indeß es wird eine Oper unter dem Frisieren und ich thue es mit Absicht um – schmieren zu lernen.

Lebe wol und siehe zu, daß wir Dich bald hier haben. Schade daß Du jezt nicht da bist. – Mündlich ein mehreres. Frage ehe Du abreisest bei Jüngern an, ob er Dir keinen Brief an mich mitgeben wird. Grüße Kunzens recht herzlich. Leb wol.

Fridrich Schiller.