Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Ferdinand Huber

Mannheim am 25. März. [Freitag] 85.

Das ist also vermuthlich der lezte Brief, den ich Ihnen von Mannheim aus schreibe. Die Zwischenzeit vom 15. März biß heute hat sich für mich wie eine Kriminalakte ausgedehnt, und gottlob – nun bin ich Ihnen um ganzer zehen Tage näher. Aller Wahrscheinlichkeit nach werde ich erst auf den 9ten April von hier reisen, um welche Zeit der Buchhändler Göz1 seine Wanderung antritt. Kann ich aber ganzer 8 Tage früher hier abkommen, so erwarte ich diese Gelegenheit nicht, die ohnehin nicht ganz ohne Zwang für mich abläuft.

Und nun, mein Bester – Einmal haben Sie Sich doch meine ganze Vertraulichkeit auf den Naken geladen. Gönnen Sie mir also die Freude, Sie ins Innre meiner häußlichen Wünsche zu führen.

Ich bin Willens, bei meinem neuen Etablissement in Leipzig einem Fehler zuvorzukommen, der mir in Mannheim bisher sehr viel Unannehmlichkeit machte. Es ist dieser, meine eigne Oekonomie nicht mehr zu führen, und auch nicht mehr allein zu wohnen. Das erste ist schlechterdings meine Sache nicht – es kostet mich weniger Mühe, eine ganze Verschwörung und Staatsaktion durchzuführen, als meine Wirthschaft; und Poësie, wissen Sie selbst, ist nirgends gefährlicher, als bei oekonomischen Rechnungen. Meine Seele wird getheilt, beunruhigt; ich stürze aus meinen idealistischen Welten, sobald mich ein zerrissner Strumpf an die wirkliche mahnt. Fürs andere brauch ich zu meiner geheimern Glückseligkeit einen rechten wahren Herzensfreund, der mir stets an der Hand ist, wie ein Engel, dem ich meine aufkeimenden Ideen und Empfindungen in der Geburt mittheilen kann, nicht aber durch Briefe, oder lange Besuche erst zutragen muß. Schon der nichtsbedeutende Umstand, daß ich, wenn dieser Freund außer meinen 4 Pfählen wohnt, die Straße passieren muß, ihn zu erreichen, daß ich mich umkleiden muß und dergleichen, tödet den Genuß des Augenbliks, und die Gedankenreihe kann zerrissen seyn, biß ich ihn habe. Sehen Sie mein Bester, das sind nur Kleinigkeiten, aber Kleinigkeiten tragen oft die schwerste Gewichte im Verlauf unsers Lebens. Ich kenne mich besser, als vielleicht tausend andrer Mütter Söhne sich kennen, ich weiß wie viel, und oft wie wenig ich brauche, um ganz glücklich zu seyn.

Es fragt sich also, kann ich in Leipzig diesen Herzenswunsch in Erfüllung bringen?

Wenn es möglich zu machen ist, daß ich eine Wohnung mit Ihnen beziehen kann, so sind alle meine Besorgnisse darüber gehoben. Ich bin kein schlimmer Nachbar, wie Sie Sich vielleicht vorstellen möchten; um mich in einen andern zu schiken, in meinen Freund vorzüglich, habe ich Biegsamkeit genug; und auch hie und da etwas Geschik, diß Fragment des Lebens, wie Yorik sagt, ihm verbessern und aufheitern zu helfen. Können Sie mir dann, noch außerdem, die Bekanntschaft von Leuten zuwege bringen, die sich meiner kleinen Wirthschaft annehmen mögen, so ist alles in Richtigkeit. – Ich brauche nichts mehr als ein Schlafzimmer, das zugleich mein Schreibzimmer seyn kann, und dann ein Besuchzimmer. Mein nothwendiges Hausgeräthe wäre eine gute Commode, ein Schreibtisch, ein Bett und Sopha, dann ein Tisch und einige Sessel. Hab ich dieses, so brauche ich zu meiner Bequemlichkeit nichts mehr. Parterre und unter dem Dach kann ich nicht wohnen, und dann möcht ich auch durchaus nicht die Aussicht auf einen Kirchhof haben. Ich liebe die Menschen und also auch ihr Gedränge. Wenn ichs nicht so veranstalten kann, daß wir (ich verstehe darunter, das fünffache Kleeblatt) zusammenessen, so würde ich mich an die Table d’hôte im Gasthofe engagieren, denn ich fastete lieber, als daß ich nicht in Gesellschaft (großer oder auserlesen guter) speißte.

Ich schreibe Ihnen diß alles, liebster Freund, um Sie auf meinen närrischen Geschmak vorzubereiten, und Ihnen allenfalls Gelegenheit zu geben, hier und dort einen Schritt zu meiner Einrichtung voraus zu thun. Meine Zumuthungen sind freilich verzweifelt naiv, aber Ihre Güte hat mich verwöhnt.

Den 1 Theil der Thalia werden Sie nunmehr haben, und das Urtheil über den Karlos wird bereits ausgesprochen seyn. Doch will ich es mündlich empfangen. Hätten wir 5 uns noch nicht gekannt – wer weiß ob Sie meine Bekanntschaft nicht bei Gelegenheit des Karlos gemacht hätten?? – –

Wenn Sie mir noch einmal schreiben wollen lieber so trifft mich Ihr Brief, im Falle Sie ihn nach Empfang des meinigen gleich abgehen lassen, noch in Mannheim. Biß auf den 8. oder 9ten bleib ich zuverlässig noch da.

Heute (am 26sten) habe ich noch keinen Wechsel empfangen, doch, das ist auch wol noch nicht möglich; wenn er nur nicht länger als biß zum 31sten des Monats ausbleibt, denn an diesen Tag hab ich allgemeine Zahlung anberaumt.

Empfehlen Sie mich dort, Sie wissen wo? Mit Sehnsucht und Ungeduld sehe ich dem Tage entgegen, wo Sie meines Herzens Gedanken auf meinem Gesicht lesen werden.

Ewig der Ihrige

Fridrich Schiller.