Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Ferdinand Huber

Mannheim den 28ten Februar [Montag] 85.

Ich wünsche und hoffe, mein Bester, daß Sie meinen Brief vom 10ten dieses Monats werden empfangen haben. Eh ich aber eine Antwort von Ihnen und Ihrer lieben Gesellschaft erwarten kann, fodert mich ein Hauptartikel noch zu einem Nachtrage auf.

Ob ich gegen Sie offen seyn darf, wird vermuthlich keine Frage mehr seyn. Ich bin es, und das ist vielleicht das erste und entschiedendste Unterpfand meiner ausgezeichneten Freundschaft.

Wenn ich neben der leidenschaftlichen Begierde Sie und Ihre Lieben von Angesicht zu Angesicht zu sehen, und in Ihrem Zirkel zu existieren, noch eine Ursache meiner Leipziger Reise in Anschlag bringen darf, so ist es diese, theils mich mit dem Herzog v. Weimar auf einen gewissen Fuß zu arrangieren, theils durch das bestmöglichste Employ meiner Arbeiten meine Umstände in Ordnung zu bringen. Dieses leztere trift vorzüglich meine Thalia, welche ich wegen dem mir äuserst lästigen Brief- und Krämercommerce ganz an einen Buchhändler zu überlassen entschlossen bin, wenn ich auch einige 100 Thaler jährlich dabei verlieren sollte. Zum Kaufmann schicke ich mich überhaupt so wenig als zum Kapuziner.

Außerdem bin ich willens vorzüglich durch meines guten Herzogs Mitwirkung förmlich Doctor1 zu werden, weil ich doch einmal ausstudiert habe, und nur noch dieser lezten Ölung bedarf.

Sehen Sie bester Freund welche wichtige Veranlassung mein Finanzsystem hergibt daß ich nach Leipzig reise – die Wünsche meines Herzens, welche früher entschieden als jene alle, nicht mitgerechnet. Aber ich kann Mannheim nicht verlassen, ohne wenigstens 100 Dukaten verschleudern zu müssen, und außer dem ersten Hefte meiner Thalia, welches mir schwerlich mehr als 100 Thaler auf den ersten Anlauf abwerfen kann, habe ich biß dahin keine Subsidien zu hoffen. So schnell ich auch meine Sache in Weimar persönlich durchsezen könnte, so muß ich doch dahinreisen und jene Auslagen zuvor gemacht haben. Meine Bekanntschaften und Freunde zu Mannheim kann und will ich auf diese Probe nicht setzen, oder ich liefe gefahr, zum zweitenmal Timon zu werden und mit der Menschlichen Natur zu verfallen. Ueberdem sind die besten2 von ihnen meiner Philanthropie mehr bedürftig, als ich der ihrigen. Meiner Familie kann ich keinen Vorschuß zumuthen, denn mein Vater ist Offizier, und sein Degen ist seine Besoldung. Auch habe ich drei Schwestern, denen die Existenz ihres Bruders schon mehr entzog, als sie wird hereinbringen können.

Ich glaube mein theurer, ich habe Sie jezt mit meiner ganzen Situation bekannt genug gemacht. Jezt meine Bitte.

Ist es nicht möglich daß Sie mir (auf Ihren oder meinen Nahmen – von Buchhändlern oder von andern Juden) ohngefehr 300 Thaler Vorschuß verschaffen können3. Mein Plan ist dieser – alle 2 Monate bezahlte ich von meiner Thalia 50 Thaler zurük mit landesüblichen Zinsen, biß die Schuld getilgt wäre. Die Bezalung aber dürfte nur mit dem 3ten Hefte anfangen. Meiner ganzen Berechnung zufolge beläuft sich meine jährliche Einnahme von der Thalia auf ohngefehr 800-900 Reichsthaler nach Abzug der Unkosten4. Wollte mir ein Buchhändler zu Leipzig den ganzen Verlag der Thalia abnehmen, so würde ich schnell aus dem Embarras seyn – aber dieses kann doch eigentlich nur durch meine persönliche Gegenwart bewirkt werden, und diese Gegenwart ist ein Unding, wenn ich nicht jene Summe erhalten kann. Sie haben ohne Zweifel Verbindungen, denen Sie eine solche Dienstleistung zumuthen können, welche ganz unwidersprechlich viel für mich entscheidet. Meine ganze Reise nach Leipzig hängt davon ab, und von dieser zuverlässig mein künftiges Schiksal. Doch was habe ich nötig Ihnen mein liebster Freund weitläuftige Declamationen vorzulegen. Sehen Sie dieses freimütige Geständniß für das entscheidende Zeichen an, daß diese Sache unendlich wichtig für ihren Freund ist.

Ich habe die Uebereilung begangen meine Abreise nach Leipzig laut zu machen. Mein Enthousiasmus für dieselbe erlaubte mir nicht mich in mich selbst zu verschließen, und ich konnte auf einen Freund bauen, dessen Vermögen zu meinen Diensten stand. Jetzt aber ist dieser selbst in die höchsten Fatalitäten verwikelt, und ich durch ihn5. Solte meine schöne Hoffnung durch einen Umstand von dieser Seite zu Grunde gehen, so wäre es um die Freude meines Lebens gethan.

Schreiben Sie mir mit dem schleunigsten liebster Freund, was Sie ausrichten können, und wie bald – denn mir ist über der Sehnsucht es zu verlassen, in Mannheim nicht anders zu muthe als den Egyptern, da der Würgengel herumging! Da für mich beinahe Alles durch Erfüllung dieses Wunsches entschieden wird, so werden Sie keine andre Triebfeder mehr nötig haben, für mich thätig zu seyn.

Körnern und unsern lieben Mädchen meine wärmste Empfehlung.

Ewig der Ihrige

Schiller.