Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Henriette von Wolzogen

Mannheim, den 8. Oktober [Freitag] 84.

Ihr Brief, meine Theuerste, und die Situation, in welcher ich mich mit Ihnen befinden muß, hat eine schrekliche Wirkung auf mich gemacht. Unglükliches Schiksal, das unsre Freundschaft so stören mußte, das mich zwingen mußte, in Ihren Augen etwas zu scheinen, was ich niemals gewesen bin, und niemals werden kann, niederträchtig und undankbar. Urtheilen Sie selbst, meine beste, wie weh es mir thun muß, auch nur einen Augenblik in der Liste derjenigen zu stehen, die an Ihnen zu Betrügern geworden sind. Gott ist mein Zeuge, daß ich es nicht verdiene. Aber jezt ist es zu nichts nüze, so allgemein über unser Verhältnis zu reden. Nur das einzige überlegen Sie bei Sich selbst, ob eben diese entsezliche Beschämung, mit der ich an meine Wohlthäterin denken muß, mein bisheriges Stillschweigen nicht einigermaßen – ich will nicht sagen entschuldigt – doch wenigstens begreiflich macht. Wie oft und gern wäre ich in den Bedrängnissen meines Herzens, in der Bedürfniß nach Freundschaft zu Ihnen meine Theuerste geflogen, wenn nicht eben die schrekliche Empfindung meiner Ohnmacht Ihren Wunsch zu erfüllen, und meine Schulden zu entrichten, mich wieder zurükgeworfen hätten. Der Gedanke an Sie, der mir jederzeit soviel Freude machte, wurde mir durch die Erinnerung an mein Unvermögen, eine Quelle von Marter. Sobald Ihr Bild vor meine Seele kam, stand auch das ganze Bild meines Unglüks vor mir. Ich fürchtete mich, Ihnen zu schrieben, weil ich Ihnen nichts, immer nichts, als das ewige: Haben Sie Geduld mit mir, schreiben konnte.

Aber Ihr jeziger Brief fiel mir sehr auf die Seele. Ich sehe Sie leiden, das ist entsezlich. Ich muss, ich will wahr und aufrichtig gegen Sie seyn. Vielleicht beruhigt Sie das, und ich hoffe, das soll es.

Jezt gleich kann ich Ihnen unmöglich etwas von meiner Schuld bezahlen. Es ist schreklich, das sich das sagen muß, aber schämen darf ich mich nicht, denn es ist Schiksal. Man ist nicht deßwegen strafbar, weil man unglüklich ist. Ich bin fast das ganze verflossene Jahr krank gewesen. Ewig nagender Gram, Ungewißheit meiner Aussichten kämpfte gegen meine Wiedergenesung. Dieses allein ist Ursache, dass mein Plan so vereitelt ist. Wäre das nicht gewesen, Sie würden gewiß größtentheils bezahlt worden seyn. Kann ich dafür, dass es so gehen mußte. Aber jezt sind meine Entwürfe gemacht, und das nach reifer vollkommener Ueberlegung. Wenn ich jezt auf meinem Weeg nicht beunruhigt werde, so ist meine Zukunft gegründet. Ich komme in Ordnung, und werde in den Stand gesezt seyn, auf den lezten Heller zu bezahlen. Nur jezt muss ich Luft haben, biß meine Sache im Gange sind, wenn ich jezt gelähmt werde, so bin ich auf immer gelähmt.

In dieser Woche kündige ich ein Journal an, das ich auf Subscription herausgebe. Dazu sind mir von vielen Orten her die Hände geboten worden, und meine Hoffnungen sind die besten. Wenn ich 500 Subscribenten bekomme, welches kaum fehlen kann, da ich sehr gute Maaßregeln dazu ergriffen habe, so bleiben mir nach Abzug aller Unkosten 1000 fl. fixe Revenue. Außer diesem gehen meine Einnahmen von Stüken fort, und alles beruht auf meinem Fleiß und meiner Gesundheit. Der Gedanke, Ihnen, meine Beste, aus der Bedrängniß zu helfen, und Ihnen etwas von meiner unendlichen Verbindlichkeit abzutagen, wird meinen Eifer beleben – der Wunsch, endlich einmal in Ordnung und Ruhe mich zu fühlen, wird mich spornen alle Kräfte meines Geists aufzubieten. Meine Lebensart ist rangiert, und ich darf sagen, dass ich kein leichtsinniger Verschwender mehr bin. Eher will ich mir alles entziehen, als Diejenige leiden lassen, der ich alles, alles schuldig bin. Ich gebe Ihnen also, feierlich und fest, die gewisse Erklärung, dass Sie von heute an biß zu Ende 1785 terminweiss ganz bezahlt werden sollen. Zu dem Ende habe ich meine Schuld auf 3 Wechsel eingerichtet, die ich nach den Zeiträumen, wie sie benannt sind, abtragen werde. Zählen Sie auf diese Versicherung. Ich weiss gewiss, dass Gott meine Gesundheit zu diesem edlen Zweke fristen wird. Sie, als Edeldame, werden doch auf solange Credit gewinnen können. Das sind die Gläubiger in der ganzen Welt ihren Schuldnern schuldig, wenigstens ein Jahr, 2 Jahre über die Zeit zu warten, wenn sie nur dann gewiss befriedigt werden, und das sollen Sie, darauf bauen Sie.

Ich darf Ihnen die Versicherung geben meine Beste, dass ich in keinem Stüke anders worden, als ich war – dass nur mein trauriges Verhältniß zu Ihnen, meine Empfindlichkeit, soviel schuldig zu seyn, und nichts abtragen zu können, mich bisher abhielt, mich mit Ihnen zu unterhalten. Sie waren meinem Herzen immer gleich werth und theuer und werden es ewig seyn. Ich kann das nie werden, was Sie besorgen, aber Umstände und Schiksal können zuweilen die Außenseite unkenntlich machen. Entziehen Sie mir also Ihre Liebe nie. Sie sollen und werden mich noch ganz kennen lernen, und vielleicht lieben Sie mich dann mehr. Aber beten Sie zuweilen für Ihren Freund, der jezt mehr als jemals Muth u. Kräfte braucht, seinen rechtschaffenen Entschluß auszuführen.

Schreiben Sie mir bald, sehr bald, ob ich hoffen kann, Sie beruhigt zu haben. Wenn ich weiss, dass Sie mir vergeben – daß Sie auf meine Versicherung bauen, und dadurch ruhiger sind, so sollen Sie an der Verdopplung meiner Briefe finden, dass Sie mir unveränderlich theuer sind. Lassen Sie dieses Verhältniss das nur noch Monate dauern kann, eine Freundschaft nicht stören, die so rein, so innig und unter Gottes Augen geschlossen war. Also nächstens erwarte ich einen Brief und dann rechnen Sie darauf, dass ich die Antwort keinen Tag mehr verschiebe.

Ewig ohne Veränderung

Ihr Freund

Frid. Schiller.