Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Heribert von Dalberg

[Ende Juni (?) 1784.]

Dasjenige, was Ewr. Exzellenz mir gestern durch Hrn. Hofrath Mai haben sagen lassen, erfüllt mich aufs neue mit der wärmsten und innigsten Achtung gegen den Vortrefflichen Mann, der so grosmütigen Antheil an meinem Schiksal nimmt. Wenn es auch nicht schon längst der einzige Wunsch meines Herzens gewesen wäre, zu meinem Hauptfach zurükzukehren, so müßte mir allein schon dieser schöne Zug Ihrer edeln Seele einen blinden Gehorsam abnötigen. Aber lange schon zog mich mein eigenes Herz dahin; lange schon habe ich, nicht ohne Ursach, befürchtet, daß früher oder später, mein Feuer für die Dichtkunst erlöschen würde, wenn sie meine Brodwissenschaft bliebe, und daß sie im Gegentheil neuen Reiz für mich haben müßte, sobald ich sie nur als Erholung gebrauchte, und nur meine reinsten Augenblike ihr widmete. Dann nur kann ich mit ganzer Kraft und immer regem Enthousiasmus Dichter seyn – dann nur hoffen, daß meine Leidenschaft und Fähigkeit für die Kunst durch mein ganzes Leben fortdauern würde. Urtheilen Sie also, wie willkommen der Wink mir gewesen seyn mußte, der mir Erlaubniß gab, Ihnen mein ganzes Herz vorzulegen!

Aber darf ich jezt mehr sagen? Darf ich mich jezt auf die vielen redenden Beweise Ihrer Theilnahme stüzen, und Ihnen, der sie schon so vieles für mich gethan haben, darf ich Ihnen zumuten, auch noch das Lezte – Alles für mich zu thun? – Nur ein Jahr habe ich nötig das Versäumniß in meinem Fach nachzuhohlen und mich öffentlich mit Ehre darinn zu zeigen. In diesem Jahr kann ich also für die hiesige Bühne nicht so thätig seyn, als sonst, und dennoch brauche ich eben so viel Unterstüzung. Dieses einzige Jahr entscheidet für meine ganze Zukunft. Kann ich meinen Plan mit der Medizin durchsezen, so bin ich auf immer gesichert und mein Etablissement zu Mannheim ist gegründet. Wollen Ewr, Exzellenz mir hierinn die Hand bieten? Können Dienste, die ich der hiesigen Bühne erst nach Verfluß dieses Jahres leisten kann, mir für schon geleistete gelten? – Bin ich dann endlich auf dem Punkt, worauf ich arbeite, so wird es mir nimmer schwer fallen, diese Schuld nachzuhohlen, und meine Produkte blieben Ihnen dann eigen. Da ich ohnehin so schnell nicht auf das Drama Verzicht thun kann, so kann ich immer für ein groses Stük gewähren, und mein Entwurf wegen der Dramaturgie soll ganz nach Ihren Wünschen zu stande kommen.

Hab ich zu viel gesagt, so vergeben es Ewr Exzellenz meinem vollen Herzen. Ich stehe auf dem Scheideweg, Alles, mein ganzes Schiksal vielleicht hängt jezt von Ihnen ab. Kann es Ihnen schmeicheln, das Glük eines jungen Mannes zu gründen, und die Epoche seines Lebens zu machen – die Wünsche seines Herzens, seiner Familie, seiner Freunde – ja Ihre eigene mit Eins zu erfüllen, kann dieses Bewußtseyn Ihnen süße seyn, so erwarte ich alles von Ihrer Entschließung, und wenn ich es je dahin bringe, der Welt wichtig zu werden, so weiß ich auch gewiß, daß ich Denjenigen nicht vergeße, dem ich alles, alles schuldig bin. Kann ich hoffen, die Entschließung Euer Exzellenz mündlich oder schriftlich zu hören. Ich erwarte sie mit Sehnsucht und Ungeduld?

F. Schiller.

[Adresse:]
  Sr. Exzellenz H. Baron
          Von Dalberg.