Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Heribert von Dalberg

Mannheim d. 7. Jun. [Montag] 84.

Der bedenkliche Umstand mit meinem Mscrpt ist ganz zu meiner Beruhigung abgelaufen; ich hab es wieder in Händen, und Klein dachte auch nicht mit einem Gedanken daran, daß ein Misbrauch gemacht werden könnte. Ich war in der lezten Sizung der G., und kann E. Exzellenz ohngefehr so viel sagen, daß man nur auf Ihre endliche Proposizion wartet, um über die beiden Vorschläge das lezte zu beschließen. Wenn Sie also noch Lust, und für den Antheil der Gesellschaft noch Achtung genug hätten, so glaube ich, daß wenigstens ein Theil des vorgelegten Planes könnte durchgesezt werden. Meiner Meinung nach müßte vorzüglich und ausdrüklich dahin entschieden werden, daß aus der Gesellschaft ein engerer Ausschuß von allenfalls 6 der Sache kundigen Mitgliedern zur Beurtheilung der Stükke und ihrer Vorstellung auf der Bühne, errichtet würde, welcher pflichtmäßig gehalten wäre, schriftlich seine Meinung zu sagen. In diesem Ausschuß müßten Ew. Exzellenz nothwendig Selbst, und auch ich seyn, weil sich doch natürlich vermuten läßt, daß sonst schiefe und unserm Theater inkonveniente Kritiken die gute Sache überwägen könnten. – Schwan, Keibel, Profeßor Günther, Reichert, Klein1 und Sambuga2 glaube ich, würden dann dem Fache am meisten gewachsen seyn, und es auch mit dem grösesten Eifer betreiben. Doch werden E. E. der Gesellschaft wahrscheinlich darinn nachgeben, daß ein jeder die Freiheit hat über alle Gesichtspunkte eines Stüks und seines Spiels zu entschieden – nicht aber die zerschiedene Punkte getrennt, und einem einzeln anvertraut würden. Wenn dies zu Stande kommt, so würde ich Ewr. Exzellenz dann ersuchen, mich, gleichsam als wechselseitigen Sekretair, die Schlüße der D. Gesellschaft dem Theaterausschuß, und die Antworten oder Anfragen des leztern der Gesellschaft referiren zu lassen. Auf diese Art würden beide Collegien durch mich in Zusammenhang gebracht, und auf eine solenne Art mit einander verbunden.

Ueber das Werk der Gesellschaft werden Ewr. Exzellenz nunmehr Schwans schriftliche Meinung haben. Er hat mir seinen Brief an Sie mitgetheilt, und ich habe weiter nichts daran auszusezen, als daß unsere Bühne noch einmal so viel gewinnen würde, wenn die Dramaturgie ein eigenthümliches, periodisch fortlaufendes Werk, und nicht ein bloßer Beitrag zu einem gemeinschaftlichen, vielleicht mit den trokensten Aufsätzen beschwerten, und alle Jahr nur einmal erscheinenden Buche wäre.

Ich weiss wol, daß das Journal der Gesellschaft aufhören wird interessant zu seyn, wenn ich mit dem dramatischen Theil desselben zurüktrete – ich wollte auch beinah darauf wetten, daß Schwan den Verlag aufgeben wird, wenn dieser Artikel davon ausgeschlossen würde, aber eben darum hätte ich für die Aufnahme unserer Bühne so sehr gewünscht, daß ich in den Stand gesezt worden wäre, die Dramaturgie vor mich allein in die Welt zu schiken. Da E. E. versichern, daß das Theater keinen Schritt für mich thun könne, und da ich von Buchhändlern keine hinlängliche Belonung für meine Mühe in dieser Sache erwarten kann, so fürchte ich alles für meinen schönen Entwurf, und ich höre auf, zu hoffen, daß er zu Stand kommen würde. Ich bekenne aufrichtig, daß es mir, wie den besten von hiesigen Schauspielern leid thut, daß eine Anstalt, die der hiesigen Bühne so glänzende Aussichten öfnete, durch ein so geringes Hindernis scheitern soll, und doppelt wehe thut es mir, weil ich fühle, was und wie viel ich zum Ruhm unserer Bühne würde gethan haben.

Vor einigen Tagen ist mir eine sehr schmeichelhafte und angenehme Ueberraschung3 widerfahren, die ich Ewr. Exzellenz, da Sie doch gewis daran Theil nehmen, ohnmöglich verschweigen kann.

Mir wurden aus Leipzig von 4 unbekannten Personen Paquete und Briefe geschikt, die voll Enthousiasmus für mich geschrieben waren, und von Dichteranbetung überflossen. Sie wurden mit 4 kleinen Portraiten begleitet, worunter 2 sehr schöne Frauenzimmer sind, und einer Bireftasche, die mit dem besten Geschmak gestikt ist. Ein solches Geschenk von fremden Menschen, die dabei kein anderes Interesse haben, als mich wissen zu lassen, daß sie mir gut sind, und mir für einige frohe Stunden zu danken, war mir äuserst werth, und der lauteste Zusammenruf der Welt hätte mir kaum so angenehm geschmeichelt. Wenn Ewr. Exzellenz wieder hieher kommen, so werde ich das Vergnügen haben, Jhnen die artigen Kleinigkeiten zu zeigen.

Gestern ist endlich die lang im Werk gewesene Dido gegeben worden, ich zweifle aber beinahe, ob sie den Beifall des Publikums haben wird. Meinen, ich gestehe es, hat sie nicht, Poësie und Musik rührten mich gleich wenig, und ich glaube, daß mein Urtheil so ziemlich das allgemeine ist. Doch bin ich schlechterdings kein Kenner, und auch als Liebhaber maase ich mich nicht an, darüber zu sprechen. Die Vorstellung ging gut. Mlle Baumann u: Mme Bek befinden sich nicht wol, und das dürfte vielleicht einige kleine Verwirrungen im Repertorium anrichten. Mme Gensike habe ich seit der Erklärung E. Exzellenz, daß Sie ihr Selbst schreiben würden, nicht mehr gesprochen. Das Publikum ist sehr gut für sie eingenommen, und ihre Nachfolgerin mus mehr als nur gut seyn, um dem Theater keine Vorwürfe zuzuziehen.

Ich hätte gewünscht, daß ich Ew. Exzellenz etwas Neues aus der Leipziger Messe zum Desert hätte schiken, oder anzeigen könne, aber morgen früh kommt erst der Wagen mit den Büchern zu Schwan. – Meine Cabale und Liebe ist in der Gothaer Zeitung so obenhin rezensiert4, gut gemeint, aber ohne Befriedigung für den nach der Sache begierigen Leser. Ich bin jetzt mehr als jemals über mein neues Schauspiel verlegen. Woher ich nur Briefe bekomme, dringt man darauf, ich möchte ein groses historisches Stük, vorzüglich meinen Carlos zur Hand nehmen, davon Gotter den Plan zu Gesicht bekommen und gros befunden hat. Freilich ist ein gewöhnliches bürgerliches Sujet, wenns auch noch so herrlich ausgeführt wird, in den Augen der grosen, nach außerordentlichen Gemälden verlangenden Welt, niemalen von der Bedeutung, wie ein kühneres Tableau, und ein Stük wie dieses erwirbt dem Dichter, und auch dem Theater, dem er angehört schnellern und grösern Ruhm, als drei Stüke wie jenes. Von Ewr. Exzellenz erwarte ich einen ernsthaften Rath zu meiner lezten Entschließung, welches Sujet ich wälen soll? Carlos würde nichts weniger seyn, als ein politisches Stük – sondern eigentlich ein Familiengemälde in einem fürstlichen Hauße, und die schrekliche Situazion eines Vaters, der mit seinem eigenen Sohn so unglüklich eifert, die schreklichere Situazion eines Sohns, der bei allen Ansprüchen auf das gröste Königreich der Welt ohne Hoffnung liebt, und endlich aufgeopfert wird, müßten denke ich, höchst interessant ausfallen. Alles was die Empfindung empört, würde ich ohnehin mit gröster Srogfalt vermeiden.

Ich schließe mit dem Wunsch, der zugleich Wunsch der ganzen Gesellschaft ist, Ewr. Exzellenz bald hier zu sehen, und verharre mit vollkommenstem Respect

      EE

unterthäniger

Schiller.