Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Wilhelm Reinwald

d. 3. Mai [Sonnabend] 83.

Guten Morgen, lieber Freund!

Meine L. M. jagt mich schon u. 5 Uhr aus dem Bette. Da siz ich, spize Federn, und käue Gedanken. Es ist gewis und wahrhaftig, daß der Zwang dem Geist alle Flügel abschneidet. So ängstlich für das Theater – so hastig, weil ich pressiert bin, und doch ohne Tadel zu schreiben ist eine Kunst. Doch gewinnt meine Millerin das fül ich. Vor Veränderung beben Sie nicht mehr. Meine Lady intereßiert mich fast so sehr, als meine Dulzinea1 in Stuttgardt. – Aber davon weg. Wir beide leben jetzt in einem Verhältniß zu einander, als wenn wir uns kasteyten, oder wie 2 Eheleute die ein Gelübde gethan, nicht bey einander zu schlafen. Ist meine L. M. erst fertig, mein Karlos soll mich niemals abhalten, zu Ihnen zu fliegen. Schreiben Sie mir nur etliche Seiten daß ich sehe daß Sie noch leben und noch lieben

Ihren

Aufrichtigsten Ritter.

[Adresse]:
            An Herrn
  Sekretarius Rheinwald
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          Meinungen.