Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Henriette von Wolzogen

Bauerbach, den 10ten Jenner [Freitag] 83.

Zärtlichste Freundin,

Ohne Zweifel werden Sie wegen dem Rezidiv des übeln Wetters meinethalben besorgt gewesen seyn, daher verliere ich keine Zeit Ihnen von meiner glüklichen Ankunft z. B. Nachricht zu geben. Ich nahm den Weeg über Dreißigaker und Masfeldt, wobei ich eine gute halbe Stunde profitirte. Der Weeg wäre erträglich gewesen, wenn mir Wind und Regen nicht zugesezt hätten.

So kann ich also doch mit dem Schiksal zufrieden seyn, weil ich Sie die kurze Zeit Ihres Hierseyns doch recht genießen kann. Aber die Zeit eilt so schnell meine Beste, und das Nächstmal dass ich Sie sehe kommt schon der Abschied wieder. Zwar kein Abschied auf Lange, doch ein Abschied und welche Empfindungen man dabei zu erwarten hat, weis ich aus der Erfahrung. Es ist schröklich ohne Menschen ohne ein mitfühlende Seele zu leben, aber es ist auch eben so schröklich sich an irgend ein Herz zu hängen, wo man, weil doch auf der Welt nichts Bestand hat, nothwendig einmal sich losreissen, und verbluten mus.

Ich falle in eine finstere Lauen, und mus abbrechen. Also zu Anfang der nächsten Woche sehe ich Sie zu M. gewis.

Ihren edeln verehrungswerthen Bruder1 versichern Sie meiner ganzen immerwährenden Achtung. Je mehr ich ihn kenne, desto schäzbarer wird er mir. Ihrer guten Lotte empfehlen Sie mich auch, und – vergessen Sie niemals Ihres

Aufrichtigsten Freundes F. S.