Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Heribert von Dalberg

Stuttgardt d. 12 Xbr. [Mittwoch] 81.

Mit der von E. Exzellenz in Rüksicht auf den Verlag meines Schauspiels getroffenen Veränderung bin ich vollkommen zufrieden, besonders da ich sehe daß durch dieselbe zwei von sich sehr verschieden gewesene Interessen vereinigt worden sind, ohne jedoch wie ich hoffe die Folgen und den Success meines Schauspiels zu unterdrüken. E. E. berühren einige sehr wichtige Veränderungen die meine Arbeit von Ihren Händen erlitten hat, und ich finde diese Sache in Ansehung meiner wichtig genug etwas weitläufig dabei zu seyn. Gleich Anfangs gesteh ich Ihnen aufrichtig, daß ich die Zurüksezung der Geschichte meines Stüks in die Epoche des gestifteten Landfriedens und unterdrükten Faustrechts – die ganze dardurch entsprungene neue Anlage des Schauspiels für unendlich beßer als die meinige halte, und halten muß, wenn ich vielleicht dardurch mein ganzes Schauspiel verlieren sollte. Allerdings ist der Einwurf, daß schwerlich in unserm hellen Jahrhundert, bey unserer abgeschliffenen Polizey und Bestimmtheit der Geseze eine solche meisterlose Rotte gleichsam im Schoos der Geseze entstehen, noch viel weniger einwurzeln und einige Jahre aufrecht stehen könnte, allerdings ist dieser Vorwurf gegründet, und ich wüßte nichts dagegen zu sezen, als die Freiheit der Dichtkunst, die Wahrscheinlichkeiten der Wirklichen Welt in den Rang der Wahrheit, und die Möglichkeit derselben in den Rang der Wahrscheinlichkeit erheben zu dörfen Diese Entschuldigung befriedigt allerdings die Größe des Gegentheils nicht. Wenn ich aber Euer Exzellenz dieses zugebe, (und ich gebe es mit Wahrheit und ungeheuchelter Ueberzeugung zu) was wird folgen? – Gewiß nichts anders als daß mein Schauspiel einen großen Fehler den die Hand der feinsten Chirurgie ewig nicht ausmerzen wird – einen Fehler, den es, wenn ich so sagen darf, ins Grab mitnehmen muß, weil er in sein Grundwesen verflochten ist, und nicht ohne Destruktion des ganzen aufgehoben werden kann. Ich will mich E. E. näher zu erklären wagen.

I Sprechen alle meine Personen zu modern, zu aufgeklärt für die damalige Zeit. Der Dialoge ist gar nicht derselbe. Die Simplicitaet, die uns der Verfasser des Göz von Berlichingen so lebhaft gezeichnet hat, fehlt ganz. Viele Tiraden, kleine und große Züge, Karaktere sogar sind aus dem Schoß unserer Gegenwärtigen Welt herausgehoben, und taugten nichts in dem Maximilianischen Alter. Mit einem Wort, es ginge dem Stük wie einem Holzstich, den ich in einer Ausgabe des Virgils gefunden. Die Trojaner hatten schöne Husarenstifel, und der König Agamemnon führte ein paar Pistolen in seinem Hulfter. Ich beginge ein Verbrechen gegen die Zeiten Maximilians, um einem Fehler gegen die Zeiten Friderichs II. auszuweichen.

II Meine ganze Episode mit Amaliens Liebe spielte gegen die einfache Ritterliebe der damaligen Zeit einen abscheulichen Kontrast. Amalia müßte schlechterdings in ein Ritterfräulein umgeschmolzen werden, und Sie sehen von selbsten dieser Karakter, diese Gattung Liebe die in meiner Arbeit herrscht ist in das ganze Gemälde der Räuber Moors, ja in das ganze Stük so tief und allgemein hinein kolorirt daß man das Ganze Gemälde übermahlen muß um es auszulöschen. So verhält es sich auch mit dem ganzen Karakter Franzens Diesem spekulativischen Bösewicht, diesem methaphysisch-spizfündigen Schurken. Ich glaube mit einem Wort sagen zu können, diese Versezung meines Stüks, welche ihm vor der Ausarbeitung den Grösesten Glanz und die höchste Vollkommenheit würde gegeben haben, macht es nunmehr, da es schon angelegt und vollendet ist, zu einem fehlervollen und anstößigen Quodlibet, zu einer Krähe mit Pfaufedern. Verzeihen Euer Exzellenz dem Vater diese eifrige Fürsprache für sein Kind. Es sind nur Worte, und allerdings kann jedwedes Theater mit den Schauspielen anfangen was es will, der Autor muß sichs gefallen lassen, und ein Glük ist es für den Verfasser der Räuber, daß er in die besten Hände gefallen ist. Dieses einige werd ich mir von H. Schwan ausbedingen, daß er es wenigstens nach der 1sten Anlage drukt. Auf dem Theater praetendire ich keine Stimme.

Die Zwote Haupt Veränderung mit der Ermordung Amaliens interessirte mich fast noch mehr. Glauben mir E. E., es war dieses derjenige Theil meines Schauspiels der mich am meisten Anstrengung und Ueberlegung gekostet hat, davon das Resultat kein anderes war, als dieses, daß Moor seine Amalie ermorden muß, und daß dieses eine positive Schönheit seines Karakters ist, die einerseits den feurigsten Liebhaber, andernseits den Banditenführer mit dem lebhaftesten Kolorit auszeichnet. Doch ich würde die Rechtfertigung dieser Stelle in keinem Briefe erschöpfen. Uebrigens sind die wenigen Worte, davon E. E. in Ihrem Briefe Meldung gethan fürtrefflich und der ganzen Situation werth: Ich würde stolz darauf seyn, sie gemacht zu haben. Da mir H. Schwan auch schriebt, das Stück würde mit der Musik und den unentbehrlichsten Pausen gegen 5 Stunden spielen, eine zu lange Zeit für ein Stük, so wird eine zweite Beschneidung an demselben vorgenommen werden müßen. Ich wünschte nicht daß jemand anders, als ich, sich dieser Arbeit unterzöge, und ich selbst kann es nicht ohne die Anschauung einer Probe oder der ersten Vorstellung selbst.

Wenn es möglich wäre, daß E. E. die Generalprobe des Stüks wenigstens zwischen den 20-30 dieses Monats zu standen brächten, und mir die wichtigsten Unkosten einer Reise zu Ihnen vergüteten, so hoffte ich in etlichen Tagen das Interesse des Theaters und das meinige vereinigen, und dem Stük die theatralischen Rundung geben zu können, die sich nicht ohne wirkliche Gegenwart bei der Aufführung geben läßt. Ueber dieses bät ich mir dieser Tage einen gütigsten Aufschluß aus, so würde ich mich auf den Fall vorzusehen wissen. H. Schwan schreibt mir, daß ein Baron von Gemmingen sich die Mühe genommen, und meinem Stük die Ehre gegeben hätte, es vorzulesen. Ich höre auch daß dieser H. v. Gemmingen Verfasser des Teutsch. Hausvaters sey. Ich wünschte die Ehre haben, diesen Mann zu versichern, daß ich eben diesen Hausvater ungemein gut befunden, und einen vortrefflichen Mann und sehr schönen Geist darin bewundert habe. Doch was ligt dem Verfasser des Teutsch. Hausvaters an dem Geschäz eines jungen Kandidaten? – Uebrigens wenn ich je das Glük habe, einem v. Dalberg zu Mannheim meine Wärme und Verehrung zu bezeugen, so will ich mich auch in die Arme jenes drängen, und ihm sagen, wie lieb mir solche Seelen sind, wie Dalberg und Gemmingen.

Den Gedanken mit dem kleinen Avertissement vor Aufführung des Stücks find ich fürtrefflich, und sende daher E. E. in Beilage einen Versuch. Uebrigens habe ich die Ehre mit vollkommener Achtung zu ersterben

Euer Exzellenz

ganz unterthäniger

Schiller.

Die Räuber ein Schauspiel.

Das Gemählde einer Verirrten grosen Seele – ausgerüstet mit allen Gaben zum Fürtrefflichen und mit allen Gaben verloren. Zügelloses Feuer und schlechte Kameradschaft verdarben sein Herz – rissen ihn von Laster zu Laster – bis er zulezt an der Spize einer Mordbrennerbande stand, Greuel auf Greuel häuffte von Abgrund zu Abgrund stürzte in alle Tiefen der Verzweiflung. – Groß und majestätisch in Unglük, und durch Unglük gebessert, rükgeführt zum Fürtrefflichen. Einen solchen Mann wird man im Räuber Moor beweinen und haßen, verabscheuen und lieben. – Einen heuchlerischen heimtükischen Schleicher wird man entlarvt erbliken, und gesprengt sehen in seinen eigenen Minen. Einen allzuschwachen nachgiebigen Verzärtler und Vater. – Die Schmerzen schwärmerischer Liebe, und die Folter herrschender Leidenschaft. Hier wird man auch nicht ohne Entsezen in die innere Wirthschaft des Lasters Blike werffen, und aus der Bühne unterrichtet werden, wie alle Vergoldungen des Glüks den innern Wurm nicht tödten, und Schreken, Angst, Reue, Verzweiflung hart hinter seinen Fersen sind. Der Zuschauer weine heute vor unserer Bühne – und schaudere – und lerne seine Leidenschaften unter die Geseze der Religion und des Verstandes beugen, der Jüngling sehe mit Schreken dem Ende der zügellosen Ausschweiffungen nach, und auch der Mann gehe nicht ohne den Unterricht von dem Schauspiel daß die unsichtbare Hand der Vorsicht auch den Bösewicht zu Werkzeugen ihrer Absichten und Gerichte brauchen, und den verworrensten Knoten des Geschiks zum Erstaunen auflösen könne.